Dritter Jahrestag der Flut Wer trägt die Schuld an der Katastrophe im Ahrtal?

Drei Jahre liegt die verheerende Flut im Ahrtal jetzt zurück. Betroffene ringen immer noch mit der Justiz – und mit ihren Ängsten.
Monika Kunkel steht im Keller ihres Hauses im Ahrtal
Im Keller ihres Hauses im Ahrtal ertrank Monika Kunkels Mann Erwin. Niemand habe die Familie vor der Flut gewarnt, sagt sie
© Theodor Barth / stern

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Vor den Kellerfenstern ihres Hauses liegen noch die Sandsäcke. Sie könnten jederzeit wieder gebraucht werden. Gerade erst, am 2. Mai dieses Jahres, gab es Hochwasseralarm in Bad Neuenahr-Ahrweiler: "Starkregen", viele Keller liefen voll, auch ihrer. Das Grundwasser drang aus den Schächten. Sie rief ihre Tochter Laura an und Stefan, den Mann ihrer Nichte. Sie stiegen zusammen hinab. "Du musst!", hämmerte sie sich ein. Unten stand das Wasser knöcheltief in den Räumen, eiskalt. Sie schöpfte zwei Stunden lang, mit Kehrblech und Eimer. "Ich hab nicht nachgedacht, ich war wie in einem Tunnel", erzählt Monika Kunkel.

Vor einem Jahr, als der stern sie zuletzt besuchte, hätte Kunkel das noch nicht geschafft. Zu groß war ihre Angst vor dem Wasser. Bei Regen wagte sie sich nicht aus dem Haus. Ihren Job als Altenpflegerin hatte sie aufgeben müssen, das Rauschen von Duschwasser löste bei ihr Panik aus. Am schlimmsten jedoch war trübes Wasser. Der Anblick schlammiger Pfützen versetzte sie zurück in die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021, als ihr Mann verschwand.

Ihr Mann, Erwin Kunkel.

Mithilfe einer Therapie hat sie gelernt, anflutenden Ängsten zu begegnen. Sie kennt nun Techniken gegen die Panik, beispielsweise, im Keller alles in Kisten zu packen. Ich habe alles getan, was möglich ist – dieser Glaubenssatz hat ihr geholfen gegen die Ohnmacht.

Bis heute übernimmt niemand die Verantwortung

Der Landrat Pföhler, damals zuständig für den Katastrophenschutz, war in der Flutnacht nicht präsent, er hatte seine Verantwortung teilweise an einen Mitarbeiter übertragen, gegen den ebenfalls ermittelt wurde. Bis heute ist unklar, wo er steckte, während überforderte Leitstellen Tausende Notrufe bekamen und Menschen flussauf, flussab um ihr Hab und Gut und ums nackte Überleben kämpften. 

Erschienen in stern 29/2024