Dieses Stück stammt aus dem stern-Archiv. Es erschien zuerst am 27. Juni 2023. Anlässlich des ersten Jahrestages der "Titan"-Katastrophe veröffentlichen wir es an dieser Stelle erneut.
Als Arthur Loibl sich im Schneidersitz auf den genoppten Gummiboden eines winzigen U-Boots setzt, das ihn gut 4000 Meter in die Tiefe hinablassen soll, merkt er: Es sind ein paar Schrauben locker. Das Metallkonstrukt, das die Ärzte ihm vor Jahren in den Rücken operiert haben, um sein krummes Rückgrat zu stützen, wackelt. Und das Unterwassergefährt namens "Titan" hat keine Sitzvorrichtung. Nur an der eiförmigen Außenhülle können sich die Insassen anlehnen. Loibl war Schmerzen von seinen vielen Reisen ans Ende der Welt gewohnt. Doch an diesem 5. August 2021, einem Samstag, da zählt nur eines: hinab zum berühmtesten Schiffsgrab der Welt, zur "Titanic".
Kaum zwei Jahre später liegt die "Titanic" noch immer sanft und friedlich vor der Küste Neufundlands. Das kleine U-Boot "Titan" aber ist Geschichte, zerrissen von solchen Druckkräften, dass man die Leichen der fünf Insassen auch gut anderthalb Wochen nach der folgenschweren Implosion nicht finden konnte. Und Arthur Loibl fragt sich seitdem, ob in seinem Körper nicht auch noch andere Schrauben nachgedreht hätten werden sollen: "Ich würde da heute auf keinen Fall mehr einsteigen. Ein bisschen verrückt muss man eh sein, wenn man so etwas mitmacht", sagt er heute, mit 60 Jahren, zu Hause im niederbayerischen Straubing, weit weg vom Atlantik.

In seiner Heimat ist Loibl schon länger bekannt gewesen als wohlhabender Unternehmer. Jetzt aber geht sein Name um die Welt. Sein Handy summt im Dauerbetrieb. Journalisten aus aller Welt melden sich – aus Russland, Japan, Brasilien, Australien –, und alle hören sie erst einmal Loibls Warteschleifensong: "FC Bayern, Stern des Südens".
Loibl kann viel erzählen von reichen Menschen, die ihr Geld nicht mehr nur an Jetsetstränden verprassen, sondern die dafür Abenteuer erleben wollen. Von einer Generation Luxus-Robinson-Crusoes, bei der die Nerven kitzeln, das Risikoempfinden aber ertaubt. Und von einer Tiefseemission, deren Scheitern wohl vorprogrammiert war.
An einem Sommersonnabend empfängt Loibl den stern in seiner Straubinger Villa. Viel Beton, in die Wände des Eingangsbereichs sind Vitrinen eingelassen: eine unterschriebene, knallrote Boxrobe von George Foreman neben den Pratzen von Max Schmeling. Um die Ecke das Arbeitswerkzeug des Queen-Gitarristen Brian May. Im Garten ist der Rasen mathematisch genau gestutzt. Aus den Terrassenholzdielen ließe sich jetzt ein Jacuzzi ausfahren. Loibl aber lässt sich auf eine gepolsterte Sitzgruppe sinken.