Jetzt hat er's schon wieder gemacht. Kaum muss Friedrich Merz kurz ins Ausland reisen, das gehört ja leider zum Kanzler-Job dazu, will er allerschnellstens wieder nach Hause. Deutschland sei eben eines der "schönsten Länder der Welt", sagte er letzte Woche, als er vom Klimagipfel aus Belém, Brasilien, endlich wieder deutschen Boden betrat. Er und die mitgereisten Journalisten seien froh gewesen, "dass wir von diesem Ort, an dem wir da waren (…) wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind." War es Merz zu heiß, zu laut, zu kriminell in Belém? Oder waren im Stadtbild zu viele Leute mit schwarzen Haaren und schwarzer Haut?
Friedrich Merz muss der Duft zu Kopf gestiegen sein
Und jetzt also die Sache mit dem Brot. "Was man am deutschen Brot hat, merkt man immer wieder, wenn man im Ausland ist", sagte Merz am vergangenen Montag, als er in Hamburg ein paar vorbildliche deutsche Handwerksbetriebe besuchte und bei einem Bäcker ein Brot in den Ofen schob. Der Duft muss ihm irgendwie zu Kopf gestiegen sein oder vielleicht war es auch das Heimweh – er kam gerade vom Afrika-EU-Gipfel in Luanda, Angola. "Gestern Morgen in Luanda am Frühstücksbuffet hab' ich gesucht, wo ist ein ordentliches Stück Brot – und keins gefunden."
Kein deutsches Brot in Luanda, das ist schlimm. Wie soll ein Kanzler da arbeiten? Nun hätte man gerne gewusst, welche Brotsorten das Fünf-Sterne-Hotel "Epic Sana" in Luanda serviert, wo Merz übernachtete. Es gibt fünf Restaurants in dem Hotel, Frühstück wird im "Origami" gereicht. Leider geht da niemand ans Telefon, auch im Rest des Hauses nicht, und antwortet auch nicht auf Mails. Selbst die Hotel-Zentrale in Portugal dringt auf Bitten der Journalistin nicht nach Luanda durch. Was ist da los, backen die gerade alle hektisch deutsches Brot? Die Frühstücks-Bewertungen sind jedenfalls exzellent: "Fantastisch", schreiben frühere Besucher auf booking.com, "ob kontinental oder international – alles, was man will".
Was will Friedrich Merz? Er will nach Hause, das verstehe ich gut. Er will deutsches Brot, das schmeckt mir (besonders, wenn mein migrantischer Mann es backt). Merz will mit seinem Kommentar auch dem Hamburger Bäcker und den dort versammelten Mittelständlern schmeicheln. Okay, meinetwegen.
Ein Nationalstolz, der besser tiefgekühlt gehört
Es ist aber mindestens unerzogen, sich an fremden Tischen übers Essen zu beschweren. Wenn die Grundschul-Freunde meiner Söhne das machen, bin ich geduldig und sage, Spatzi, hier ist alles lecker, du musst nur mal probieren! Aber Merz ist seit 60 Jahren kein Grundschüler mehr und sitzt außerdem an wichtigeren Tischen. So richtig zum Würgen finde ich schließlich, wie der Kanzler mit seinem Kommentar auf das stullenessende Wahlvolk am rechten Rand zu zielen scheint. Bei den Afrikanern schmeckt's nicht. Das ist die Botschaft des Kanzlers auf internationalem Parkett, und sie nützt unserem Land überhaupt nicht, im Gegenteil: Merz backt da einen Nationalstolz auf, der besser tiefgekühlt gehört. Ein Spruch, so dumm wie Brot.
Dabei hätte es ja Lösungen gegeben! Die Bäckerei "Padaria Alvalade", nur 2,5 Kilometer von Merz' Hotel in Luanda entfernt, hat deutsches Brot, man muss mit nur zwei portugiesischen Worten danach fragen, "páo alemáo". Und auch "Just Bread", 3,8 Kilometer weg, verkauft bestes "sourdough integral", Vollkorn-Sauerteigbrot.
Kein Sauerteig für Friedrich Merz
Apropos Sauerteig: In meinem Küchenregal lebt ein Sauerteig im Einmachglas, er passt in jede Aktentasche. Ich würde Herrn Merz einen Esslöffel abgeben, dann könnte er künftig mit Sauerteig verreisen. Vor Ort dann ein Kilo Mehl dazu (gibt's auch in Angola), bisschen lokales Wasser, Ofen auf 180 Grad, voilà: der Laib Fritzie. Die Sache ist nur: Ein Sauerteig will regelmäßig mit Roggenschrot gefüttert werden, er will gewässert und je nach Bakterienwachstum gekühlt oder gewärmt werden. Meiner ist schon deutlich älter als eine Legislaturperiode. Ob Friedrich Merz das schafft, nachhaltige Care-Arbeit für Sauerteig? Ich fürchte, nein: Man möchte ihm die Diplomatie für Deutschland jetzt kaum noch anvertrauen, auf keinen Fall aber sollte sich der Mann um einen deutschen Sauerteig kümmern dürfen.