Frau Kallwies-Meuser, Herr Meuser, demnächst erscheint Ihr Buch "Klima schützen kinderleicht. Wie wir als Familie fast ohne Plastik leben, Energie sparen, anders essen – und Spaß dabei haben". Für die meisten hört sich Klimaschutz sehr aufwendig an. Was macht Ihnen dabei so viel Spaß?
Kallwies-Meuser: Gerade weil es sich so aufwendig anhört, haben wir dieses Buch geschrieben. Wir sind beide berufstätig, haben drei Kinder, da bleibt kaum Zeit, sich nur mit dem Thema Klimaschutz zu beschäftigen. Wir wollen aber zeigen, dass es trotzdem geht, indem man Dinge im Alltag bewusst verändert. Dabei stellt man fest, dass man der Problematik weniger hilflos ausgeliefert ist, als manche denken.
Meuser: Es macht einfach Spaß zu sehen, wie viel Plastikmüll wir in einem Jahr einsparen. Oder wie die Leute darauf reagieren, wenn man seine eigenen Dosen an die Theke im Supermarkt mitbringt. Man freut sich einfach darüber. Und auch die Reaktion der Kinder ist spaßig, weil sie in manchen Situationen witzige Antworten haben.
Die da wären?
Meuser: Als wir mit dem Projekt anfingen, haben wir versucht, alles ohne Verpackung zu kaufen. Also haben wir unser Obst und Gemüse im Supermarkt unverpackt aufs Fließband gelegt. Hinter uns stand ein Mann, dem das zu lang gedauert hat und der deshalb unhöflich und grob reagierte. Beim Einräumen ins Auto habe ich unseren Sohn darauf angesprochen. Er sollte nicht denken, dass alle Leute so aggressiv reagieren. Seine Antwort war: "Vielleicht hat der Mann keine Schildkröte." Verwundert habe ich ihn gefragt, was das mit Schildkröten zu tun hätte und mein Sohn erklärte mir, dass der Mann deshalb vielleicht nicht wisse, dass die Meeresschildkröten den ganzen Plastikmüll am Ende fressen müssten.
Wie kamen Sie auf die Idee, Ihren Alltag nachhaltig zu gestalten?
Kallwies-Meuser: Es begann an einem Silvesterabend. Mit drei Kindern geht man nicht mehr so einfach auf Partys und einen Babysitter bekommt man an so einem Abend auch nicht. Also haben wir uns überlegt, was wir uns im nächsten Jahr vornehmen wollen. Wir hatten uns davor schon sehr stark mit dem Thema Plastik beschäftigt und uns dann spontan dazu entscheiden, den Müll zu reduzieren.

Wie ging es dann weiter?
Kallwies-Meuser: Für unsere beiden Jungs war Tierschutz zu der Zeit ein großes Thema. Die beiden hatten schon viele Bilder gesehen mit Meerestieren, die sich in Netzen verheddert hatten, Schildkröten mit Plastikstrohhalmen in der Nase und Delfinen mit Müll im Maul. Deshalb waren sie sofort dabei, als wir ihnen unseren Neujahrsvorsatz vorgeschlagen haben. Wir haben dann zusammen geschaut, wie viel Plastik wir verbrauchen und wo man es vermeiden kann. Die Kinder haben alte Stoffbeutel verschönert, die wir zum Einkaufen benutzen. Irgendwann haben wir auch Reinigungsmittel selbst hergestellt. Was nicht funktioniert hat, war die Herstellung von Shampoo. Das war am Ende einfach nur noch eine große Sauerei.
Es hat also nicht alles so geklappt, wie Sie sich das zu Beginn vorgestellt haben?
Kallwies-Meuser: Manchmal war es tatsächlich nicht einfach, aber wir wollten pragmatisch an die Sache herangehen. Wir haben zum Beispiel von Anfang an klargemacht, dass wir nicht komplett plastikfrei leben wollen, das wäre illusorisch. Es gibt zwar diese Unverpackt-Läden, aber nicht hier bei uns in der Kleinstadt. Dafür müssten wir 30 Kilometer mit dem Auto nach Köln fahren. So viele Abgase in die Luft zu blasen, nur um den Verpackungsmüll zu vermeiden, lohnt nicht. Im Supermarkt nehmen wir in Kauf, dass etwa Reis in Plastik verpackt ist. Wasser trinken wir aus dem Hahn.
Meuser: Joghurt gibt es bei uns nur noch aus dem Glas. Anfangs gab es von den Kindern noch sehnsüchtige Blicke auf die bunt bedruckten Fruchtzwerge, aber das hat schnell aufgehört. Auch Milch gibt es nur noch aus dem Glas, außer wir haben keine Zeit zum Einkaufen, dann nehmen mir auch mal die Tetrapacks. Und Haferflocken kaufen wir in Papiertüten. Das klingt zwar komisch, aber macht über eine längere Zeit so viel aus.
War es für die Kinder schwieriger, sich umzustellen, oder für Sie?
Meuser: Eher für die Kinder. Vor allem was das Spielzeug angeht, wäre ich gerne weiter. Es ist unfassbar, wie viel Plastik sich dadurch ansammelt.
Kallwies-Meuser: Man wird überall damit überschüttet. Ein gutes Beispiel sind Comics. Früher hatte man nur das Heft, heute sind überall billige Plastikspielzeuge dabei, die nach einer Woche wieder kaputt sind. Das haben wir unseren Kindern auch erklärt und das war ein kritischer Moment. Unsere Jungs haben damals gerne mit Lego gespielt und gleich klargestellt: Wenn das wegkommt, machen sie bei dem Projekt nicht mehr mit. Also mussten wir Kompromisse eingehen.
Zum Beispiel?
Kallwies-Meuser: Wir unterscheiden zwischen langlebigem und kurzlebigem Spielzeug. Langlebig ist alles, was die Kinder lange nutzen und vielleicht noch verschenken können. Dasselbe gilt für Kleidung. Kurzlebig sind Dinge, wo sofort klar ist, dass sie nur wenige Tage oder Wochen halten. Oder Spielzeug, das nur einige Minuten oder Tage interessant ist und danach als Müll in der Ecke liegt.
Der größte Konflikt bei den Kindern war aber die Süßigkeiten. Die gibt es meist nur am Kiosk unverpackt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie die auch weiter haben können, aber wir kaufen keine Produkte, die mehrfach in Plastik verpackt sind. Es gibt dann die großen Gummibärchentüten, der Inhalt wird zu Hause in ein Glas gefüllt.
Haben Sie nachgerechnet wie viele Müllsäcke Sie im Jahr eingespart haben? Rentiert sich der Aufwand?
Meuser: Das haben wir am Anfang einmal gemacht. Früher hatten wir im Jahr 48 gelbe Säcke, seit wir mit dem Projekt begonnen haben, kommt nur noch ein Viertel davon zusammen. Zuletzt wurde das aber wieder ein bisschen mehr, weil die Kinder kein Fleisch mehr essen. Aber diese Ersatzprodukte sind immer in Plastik eingepackt. Dafür haben wir noch keine Lösung gefunden.
Sie scheinen sehr ehrgeizig zu sein.
Meuser: Es ist wie ein Sog. Wenn man einmal angefangen hat, dann kann man nicht mehr aufhören.
Kallwies-Meuser: Aber man muss auch sehen, dass das Ganze praktikabel bleibt. Unser Ansatz war deshalb, einfach mit der Plastikreduktion anzufangen – aber nur soweit das möglich ist. Es gibt Leute, die können ihren Plastikmüll für ein Jahr in ein Marmeladenglas stecken. Das funktioniert für uns nicht und wenn man zu radikal wird, gibt man schnell frustriert auf. Wir haben deshalb entschieden unseren Alltag so umzustellen, dass wir langfristig dranbleiben und viele Menschen mitmachen können. Damit ist viel mehr geholfen, als wenn einige wenige sich in kompletter Askese abmühen.
Konnten Sie schon Verwandte und Freunde überzeugen, mitzumachen?
Kallwies-Meuser: Teilweise ja, mache finden es aber auch nicht gut. Insgesamt fiel das Feedback trotzdem positiv aus, das hat mich sehr überrascht. Allerdings treten wir auch nicht belehrend auf. Wenn uns jemand fragt, dann erklären wir uns natürlich – auch öffentlich.
Und die negativen Reaktionen? Wie äußern sich die?
Kallwies-Meuser: Das sind Leute, die so gar nicht sich mit dem Thema befassen wollen und andere dann kritisieren. Es gibt einfach Menschen, die behaupten, der Klimawandel sei nicht so schlimm. Und es gibt solche, die der Meinung sind, dass man selbst kaum etwas ausrichten kann und dann gerne auf die Müllberge in China und Indien verweisen. Von denen heißt es immer, die Politik und die Wirtschaft müssten das Problem lösen.
Aber Sie sind anderer Meinung?
Kallwies-Meuser: Wenn jeder bei sich selbst anfängt, dann reagiert auch die Wirtschaft. Das passiert bereits. Firmen achten darauf, was die Verbraucher wollen. Wenn Nachhaltigkeit eines der Kriterien ist, werden Produkte auch entsprechend produziert. Dasselbe gilt für die Politik. Wenn offensichtlich wird, dass die Wähler für Nachhaltigkeit offen sind, agiert auch eine Regierung schneller. Das ist super wichtig, aber natürlich muss noch mehr passieren.
Wie kann man Menschen überzeugen, die sich im Alltag bisher noch nicht so stark wie Sie mit dem Thema auseinandergesetzt haben?
Meuser: Hoffentlich mit unserem Buch.
Kallwies-Meuser: Wir haben versucht, es auf verschiedenen Ebenen lesbar zu machen. Da gibt es zum einen die einfache Familiengeschichte, mit der wir zeigen, wie unkompliziert Nachhaltigkeit im Alltag sein kann. Für die, die mehr wissen wollen, gibt es dann noch Hintergrundinformationen. Uns war wichtig, dass das Buch nicht nur für Wohlhabende ist. Häufig kann man durch den Klimaschutz auch Geld sparen. Zum Beispiel indem man Leitungswasser trinkt. Das ist super einfach und über das Jahr hinweg auch günstig. Man bezahlt ja nicht das Wasser, sondern hauptsächlich für die Verpackung – die in vielen Fällen alles andere als umweltfreundlich ist.
Meuser: Wir versuchen positiv zu irritieren. Ein Beispiel: Vor dem Sendehaus gibt es eine Eisbude. Dort hole ich mir im Sommer immer einen Kaffee. Allerdings gibt es dort nur Einwegbecher, weshalb ich mir vorher immer eine Tasse aus der Küche mitnehme. Als die ersten Fragen kamen, habe ich erklärt, warum ich das mache. Die Leute sehen dann, dass der Aufwand, nachhaltig zu leben, manchmal minimal ist.

"Klima schützen kinderleicht" von Maik Meuser und Nicole Kallwies-Meuser, Penguin Random House, 336 Seiten, 16 Euro