Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien erstmals am 30. August 1978.
Gegen 23.30 Uhr gingen im Operationssaal der Geburtsklinik von Oldham bei Manchester die Lampen an. Auf dem Tisch lag eine 32-jährige Frau in Narkose. Der britische Geburtshelfer Patrick Steptoe und seine Assistenten standen unter Zeitdruck. Sie mussten ein Kind auf die Welt bringen, das sie gern noch ein paar Tage im Mutterleib belassen hätten. Eine Untersuchung des Fruchtwassers aber hatte ergeben, dass es dem Kind schlecht ging. Steptoe griff zum Skalpell und öffnete mit einem eleganten "Bikinischnitt" knapp über der Schamhaarregion den Bauch der Schwangeren.
Am Dienstag der vorangegangenen Woche 1978, 13 Minuten vor Mitternacht, zog Patrick Steptoe aus dem 20 Zentimeter langen Kaiserschnitt ein gesundes Mädchen. Für den Gynäkologen war es die Krönung seiner Karriere, für die Medizin ein Meilenstein: Denn geboren wurde die 2600 Gramm schwere Louise Brown - der erste Mensch, der außerhalb des Körpers gezeugt wurde.
Zwölf Jahre hatte der 65-jährige Steptoe für diesen Augenblick gearbeitet und sein Ziel, unbeirrt von Zweifeln und Kritikern, verfolgt. Sechzigmal hatte er schon versucht, ein ohne Vater und Mutter gezeugtes Leben zu einem gesunden Kind zu entwickeln. Sechzigmal ging es schief.