Das System ist so einfach wie hilfreich: Mit wenigen Handgriffen wird aus einer Winterjacke ein wind- und wasserdichter Schlafsack für Obdachlose. Ausgedacht hat sich diesen Winterparka mit der lebensrettenden Doppelfunktion der Niederländer Bas Timmer, nachdem der Vater eines Freundes auf der Straße erfroren war. Der Design-Student entwickelte innerhalb von nur wenigen Stunden einen Prototyp, um solche Tragödien zu verhindern.
Der sogenannte Sheltersuit (deutsch: Schutzanzug) kam so gut auf der Straße an, dass Timmer immer mehr nähte. Mittlerweile hat er eine Stiftung gegründet und sein Team - darunter viele einstige Geflüchtete und Obdachlose - hat seit 2014 im niederländischen Enschede bereits mehr als 30.000 Schlafsack-Jacken aus upgecycelten Materialien handgefertigt. Das Innenfutter kommt beispielsweise aus alten Schlafsäcken. Über Hilfsorganisationen werden die Suits nur an Obdachlose sowie Menschen in Kriegsgebieten verteilt.
Lebensrettende Idee - aufgrund von Unbehagen und Betroffenheit
"Die Idee entstand nicht aus einem Businessplan, sondern aus einem Unbehagen, das ich nicht mehr ignorieren konnte. Ich sah Menschen auf der Straße schlafen – in Bedingungen, die wir als Gesellschaft stillschweigend akzeptiert haben. Gleichzeitig leben wir in einer Welt des Überflusses, mit Wissen, Materialien und Produktionskapazitäten im Übermaß", sagte Timmer der Deutschen Presse-Agentur dazu. Die Herstellungskosten liegen bei rund 300 Euro. Gewinne macht er damit nicht.
Johanniter-Hilfsgemeinschaften verteilen rund 1.000 bundesweit
In Deutschland verteilen in diesem Winter die Johanniter-Hilfsgemeinschaften rund 1.000 dieser Schutzanzüge. "Die Aktion zielt darauf ab, Menschen ohne festen Wohnsitz vor lebensbedrohlicher Unterkühlung zu schützen, und ruft zugleich dringend zu Spenden auf, um die Finanzierung weiterer Schutzanzüge zu sichern", teilten die Johanniter dazu mit.
Den Startschuss dafür gab es zum Wochenstart im Norden Deutschlands, in Elmshorn. Heute geht es in Hamburg weiter, wo 50 der Suits vom Stifterehepaar Janina Lin Otto und Benjamin Otto (Holistic Foundation) gespendet wurden. Von hier aus soll die Aktion auf 30 Städte im gesamten Bundesgebiet ausgerollt werden, wo die Helfer die Suits zu den Betroffenen bringen. Den Johannitern zufolge leben rund 50.000 Menschen in Deutschland auf der Straße.
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Jacke, Schlafsack, Seesack, Schal und Kapuze
Der Obdachlose Pierre hat bereits so einen Sheltersuit erhalten. Er habe das große Problem, dass die Stadtreinigung tagsüber häufig sein "Zuhause" wegräume und er dann wieder ohne alles dastehe. Der "super praktische Sheltersuit" sei deshalb ein wichtiger Wegbegleiter.
Tagsüber kann er den unteren Teil der Jacke in einem Rucksack verstauen, in dem dann auch noch Platz für seine persönlichen Sachen ist. Der Rucksack ist erstaunlich leicht und er hat viele eingebaute Gimmicks wie kleine Taschen, einen wärmenden Schal und eine große Kapuze, die das Gesicht vor Regen und hellem Straßenlaternen-Licht schützt.
Suit-Macher hofft, dass seine Erfindung bald überflüssig ist
Timmer wünscht sich indes, dass sein Sheltersuit eines Tages überflüssig wird. Und im besten Fall solle es bis dahin ein strukturelles System geben, das Bedürftigen - unabhängig von Regeln, Papieren oder Umständen - immer Schutz biete, sagte er dpa. "Darüber hinaus hoffe ich, dass wir zeigen können, dass Produktion auch anders funktionieren kann: mit Restmaterialien, Transparenz und Menschlichkeit als Ausgangspunkt. Nicht als Ausnahme, sondern als neue Norm."