Missbrauchsskandal Evangelische Kirche sagt Heimkindern Entschädigung zu

Anlässlich des "Runden Tisches Heimkinder" hat die evangelische Kirche den Betroffenen materielle Entschädigung zugesagt. Zugleich protestierten am Donnerstag 250 ehemalige Heimkinder in Berlin gegen eine "Bagatellisierung des Missbrauchs"

Die Evangelische Kirche ist offen für eine Entschädigung traumatisierter Heimkinder. Anlässlich des "Runden Tisches Heimkinder", der am Donnerstag in Berlin tagte, sagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider: "Die Kirchen werden sich der Forderung nach materieller Entschädigung für erlittenes Leid in staatlichen und kirchlichen Kinderheimen nicht entziehen." Mit einer Demonstration in Berlin wollten Betroffene ihrer Forderung nach Entschädigung Nachdruck verleihen.

Schneider sprach im rbb-Inforadio von einem "sehr bedrückenden Kapitel" der 50er und 60er Jahre. Dass die Kirchen dafür heute in Haftung genommen würden, sei richtig. Schließlich hätten sie die Heime damals mitgetragen. Als Problem bezeichnete er, dass es für materielle Entschädigungen momentan keine rechtliche Grundlage gebe. Am Runden Tisch "muss man sehen, wie man da miteinander weiterkommt".

Es gehe aber auch um seelische Wiedergutmachung, betonte Schneider. Die Kirchen seien in der Pflicht, die Dinge offen beim Namen zu nennen. "Ich glaube, viel Heilung geschieht einfach dadurch, dass man das Leid der Menschen anerkennt, dass man es nicht verdrängt oder schön redet." Die Kirchen seien auch bereit, therapeutische Hilfen zur Verfügung zu stellen.

In Berlin tagte am Donnerstag der "Runde Tisch Heimerziehung", der auf Anregung des Bundestages im Februar 2009 eingerichtet wurde. Er arbeitet das Schicksal von Heimkindern aus den 50er und 60er Jahren auf, die körperliche und seelische Grausamkeiten über sich ergehen lassen mussten.

Währeddessen protestierten 250 Menschen am Donnerstag in Berlin gegen Missbrauch an Kinderheimen. Der Verein ehemaliger Heimkinder warf staatlichen wie kirchlichen Institutionen vor, Prügel, Zwangsarbeit und sexuelle Gewalt ausgeübt oder toleriert zu haben. Die Betroffenen wollten mit ihrer Demonstration anprangern, dass sie über Jahre hinweg in meist kirchlichen Heimen systematisch gedemütigt, misshandelt, sexuell missbraucht und als "Arbeitssklaven" ausgebeutet wurden. "Wir waren den Jugendämtern und dem Heimpersonal schutzlos ausgeliefert", heißt es in ihrer Erklärung. Sie fordern Akteneinsicht, eine Wiedergutmachung und den Verzicht auf Verjährungsansprüche. Die Demonstration steht unter dem Motto: "Jetzt reden wir!"

Einrichtung in Schrobenhausen geht auf Distanz zu Mixa

Das Kinder- und Jugendhilfezentrum in Schrobenhausen geht unterdessen auf Distanz zum Augsburger Bischof Walter Mixa. Er wird von ehemaligen Heimkindern beschuldigt, sie in den 70er und 80er Jahren verprügelt zu haben. In einem Brief von Stadtpfarrer Josef Beyrer und Heimleiter Herbert Reim an mutmaßliche Opfer heißt es: "Wir möchten ihnen an dieser Stelle versichern, dass wir Ihre Vorwürfe ernst nehmen. Leider haben wir keinen Einfluss darauf, wie Herr Bischof Dr. Mixa mit ihren Vorwürfen umgeht."

Beyrer und Reim entschuldigen sich bei den Betroffenen im Namen der Stiftung. Sie schreiben darüber hinaus: "Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Entschuldigung weder Geschehenes ungeschehen machen noch Ihren Schmerz und Ihre Gefühle gegenüber dem Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef sowie Herrn Bischof Dr. Mixa lindern kann."

Mixa weist die Prügelvorwürfe zurück. Unter anderem wurden sie von seinem Bistum als Versuch bezeichnet, einen profilierten Bischof zu diskreditieren.

DPA
APN/DPA