Tür an Tür "Huhu", rief unsere Nachbarin, "ich habe etwas für Sie!"

von Lisa Frieda Cossham
Nachbarn: Illustration zeigt zwei Schwarz-Weiß-Türen nebeneinander auf farbigem Hintergrund
Tür an Tür: Familie und Nachbarschaft kann man sich nicht aussuchen. Aber leben muss man trotzdem miteinander
© stern-Montage: Adobe Stock
In unserer Serie "Tür an Tür" erzählen Menschen von ihren Erlebnissen mit den Nachbarn. Über die Dame aus dem zweiten Stock, die mit Grünpflanzen zusammenlebte und Doggybags verteilte. 

Frau M. sei pensionierte Schuldirektorin, erzählte mir jemand, als ich einzog. Sie wohnte unter mir in einem Mehrfamilienhaus in München. Ihre Wohnung sah aus wie meine: zwei Zimmer zur Straße, eines nach hinten zum Hof, wie auch die Küche und das Bad. Wir teilten einen Grundriss, nutzten die Zimmer aber auf unterschiedliche Weise. Ich lebte zusammen mit meinen zwei Töchtern, sie allein. Uns besuchten ständig Menschen, sie empfing niemanden. Ende 70 war sie und trug große Hüte. Sie war eine Frau, die etwas zu sagen gehabt hatte, das verrieten die breiten, wippenden Krempen, wenn sie durch den Hof ging. Die Einsamkeit hatte sie grantig werden lassen, herrisch und zänkisch. Unmöglich war es, leichte Worte mit ihr zu wechseln. Manche Nachbarn hatten Angst vor ihr, sie konnte einschüchternd wirken.

"Huhu", rief unsere Nachbarin, "ich habe etwas für Sie!"

Es hieß, sie habe keine Küche.