Frau M. sei pensionierte Schuldirektorin, erzählte mir jemand, als ich einzog. Sie wohnte unter mir in einem Mehrfamilienhaus in München. Ihre Wohnung sah aus wie meine: zwei Zimmer zur Straße, eines nach hinten zum Hof, wie auch die Küche und das Bad. Wir teilten einen Grundriss, nutzten die Zimmer aber auf unterschiedliche Weise. Ich lebte zusammen mit meinen zwei Töchtern, sie allein. Uns besuchten ständig Menschen, sie empfing niemanden. Ende 70 war sie und trug große Hüte. Sie war eine Frau, die etwas zu sagen gehabt hatte, das verrieten die breiten, wippenden Krempen, wenn sie durch den Hof ging. Die Einsamkeit hatte sie grantig werden lassen, herrisch und zänkisch. Unmöglich war es, leichte Worte mit ihr zu wechseln. Manche Nachbarn hatten Angst vor ihr, sie konnte einschüchternd wirken.
"Huhu", rief unsere Nachbarin, "ich habe etwas für Sie!"
Es hieß, sie habe keine Küche.