Nürnberg Weihnachtsnachhilfe für Japaner

Zu Anfang wird ein Adventskranz gebastelt, später kommt der Weihnachtsbaum dran. Was für Deutsche ein lieb gewonnenes Ritual ist, wollen Japaner unbedingt lernen - in der Nürnberger "Christkinds Werkstatt".

Yuka Nakanishi mustert ihr Werk kritisch. Erst nach ein paar Handgriffen ist die junge Japanerin mit der Dekoration des duftenden Tannengrüns zufrieden. Als schließlich auch noch die Wachskerzen an den Zweigen entzündet werden, leuchten ihre Augen. Die Angestellte einer japanischen Fluglinie hat gerade den ersten Weihnachtsbaum ihres Lebens geschmückt - und damit erfolgreich einen Weihnachtskurs für japanische Touristen absolviert. Die am Rande des Nürnberger Christkindlesmarkts angebotene Nachhilfe in Sachen Weihnachten ist seit Jahren der Renner japanischer Reiseveranstalter - und oft schon ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht.

Der dreieineinhalbstündige Zwischenstopp in "Christkinds Werkstatt" ist nach Angaben von Reiseleiterin Rumiko Una Kami Höhepunkt einer "Weihnachtsmarkt-Tour"; in sechs Tagen führt sie ihre Landsleute über die romantischsten Christkindlmärkte in Süddeutschland. "Viele Gäste buchen die Tour aber vor allem wegen des Weihnachts-Kurses in Nürnberg", sagt die Japanerin. "Die Leute lieben es, sich aktiv mit deutschen Weihnachtsbräuchen auseinander zu setzen. Auch den direkten Kontakt mit Deutschen finden die meisten spannend", berichtet sie.

Nach Erfahrung von Kursleiterin Amelie Werzinger von der Evangelischen Familienbildung Nürnberg, die die Kurse anbietet, schätzen die Gäste aus Fernost vor allem die entspannte Atmosphäre in dem weihnachtlich dekorierten Kursraum. "Bei der Hetze während der Reise finden die Gäste endlich die Ruhe und Gemütlichkeit, bei der sie einmal innehalten und erste Reise-Eindrücke verarbeiten können", sagt sie. Zusammen mit ihrer Kollegin Andi Brouer führt sie jährlich zwischen 100 bis 150 japanische Urlauber in deutsche Weihnachtsbräuche ein.

Den Einstieg bildet das Binden und Dekorieren eines Adventskranzes, den die Reisenden später als Souvenir mit nach Hause nehmen dürfen. Mit Eifer dekorieren die japanischen Gäste Tannengebinde mit Lorbeer, lernen das Binden von Zierschleifen und passen die roten Kerzen nach den ins Japanische übersetzten Anleitungen von Kursleiterin Werzinger in die Adventskränze ein.

"Toll, mich deutschen Weihnachtsbräuchen praktisch zu nähern"

"Ich finde es toll, mich den deutschen Weihnachtsbräuche einmal auf praktische Weise zu nähern. Und es macht viel Spaß, auf einer solchen Reise auch einmal etwas aktiv zu tun", sagt die Japanierin Yoko Horie aus Tokyo schwärmend.

Wie andere aus ihrer Reisegruppe war auch ihr der Brauch des Adventskranz-Aufstellens bislang fremd. "Bei uns dekoriert man in der Weihnachtszeit allenfalls den Garten", erzählt sie. Auch ansonsten ist der Kurs bei den japanischen Gästen für so manche Überraschung gut. Das Weihnachten im christlichen Deutschland ein ausgesprochenes Familienfest ist, vermochten die meisten in der 17-köpfigen Gruppe noch verstehen. Als die Kursleiterin aber erzählt, viele Deutsche bevorzugten zum Festmenü Karpfen, runzeln manche Gäste aus Fernost die Stirn. Schließlich gilt die japanische Karpfen-Variante, der Koi, als teurer und heiliger Zierfisch.

Überraschend routiniert absolvieren die meisten den Kursteil Nummer zwei: das Schmücken der drei am Stirnende des Seminarraums aufgestellten Tannenbäume. Emsig greifen sie nach den Kerzenhaltern, um sie nach Anleitung an den Zweigen zu befestigen. Die Wirkung jeder Weihnachtskugel wird kritisch gemustert. Als Andi Brouer schließlich den Raum abdunkelt und mit dem Entzünden der Kerzen beginnt, wird es still. Lediglich einige zuckende Digitalkamera-Blitze dämpfen ein wenig die weihnachtliche Stimmung. Der Kurs erreicht seinen Höhepunkt, als die japanische Gruppe das Lied "Stille Nacht, Heilige Nacht" auf Japanisch anstimmt: "Kiyoshi konoyoru, hoshi wa hikari"

DPA
Klaus Tscharnke/DPA