Nach seiner Geburt wurde Papst Benedikt XVI. katholisch getauft. Nach seinem Tod könnte er nochmals getauft werden - dann aber von Mormonen. Die Glaubensgemeinschaft, die sich offiziell Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nennt, ermutigt ihre Mitglieder, verstorbene Vorfahren zu taufen, um ihnen so den Eingang in den Himmel zu bereiten.
Allerdings ist die Praxis mittlerweile außer Kontrolle geraten, so dass neben Angehörigen inzwischen auch Prominente, historische Personen und sogar fiktive Wesen dem Ritus unterzogen werden - und das ohne Rücksicht auf deren Konfession. So seien bereits Adolf Hitler, Stalin, Dschingis Khan, Mao Tse Tung, Martin Luther, König Herodes, Al Capone und selbst Mickey Maus in dem Register mit allen getauften Mormonen aufgetaucht, sagt die Wissenschaftlerin und Mormonen-Kritikerin Helen Radkey aus Salt Lake City. Damit scheint es wahrscheinlich, dass auch Benedikt einmal seinem Vorgänger Johannes Paul II. in die Liste folgt, obwohl er einst als Präfekt der Glaubenskongregation die Mormonen-Taufe als unchristlich brandmarkte.
Ungewollte Taufe nur schwer zu verhindern
"Es gibt keinen Grund, warum einem Papst oder einem anderen Kirchen-Vertreter das versagt bleiben sollte, was dem Rest der Menschheit möglich gemacht wird", erläutert Mormonen-Sprecherin Kim Farah. Diese ungeahnten Möglichkeiten rufen insbesondere bei Juden und Christen Empörung hervor. Dennoch gibt es kaum einen Weg, die ungewollte Taufe zu verhindern. "Das einzige wäre, bei jedem gemeldeten Namen eine unabhängige Ahnenforschung zu betreiben - ein völlig unmögliches Unterfangen angesichts der vielen zehntausend Namen, die jedes Jahr registriert werden", erklärt Farah.
Die Mormonen glauben, dass die frühen Christen vom Glauben abgefallen sind und ihn nur durch ihre Glaubensbewegung wiederfinden können. Da die mormonische Kirche erst 1830 gegründet wurde, wäre allen davor Verstorbenen dieser Weg versperrt. Abhilfe verschafft allein eine posthume Taufe, die in der Regel frühestens ein Jahr nach dem Ableben vorgenommen wird. Dabei wird ein Mormone im Namen des Toten in einem Tempel untergetaucht.
Eigene Vorgabe wird ignoriert
Die Vorgabe der Glaubensgemeinschaft, niemanden zu taufen, der in den vergangenen 95 Jahren lebte, ohne dass dessen noch lebende Verwandte zustimmen, wird weitgehend ignoriert. Nach heftigen Protesten von jüdischer Seite versprachen die Mormonen zwar, die Namen von Holocaust-Opfern und anderen Juden von den Tauflisten zu streichen - in Gänze eingehalten wurde dies jedoch nicht. Unter anderem erschien der bekannte Nazi-Jäger Simon Wiesenthal in dem Register, was eine jüdische Menschenrechtsbewegung auf den Plan rief. Eine unwillentliche Taufe Wiesenthals sei "sehr beleidigend", sagte der US-Rabbiner Marvin Heir. "Simon Wiesenthal hat sein ganzes Leben den Juden gewidmet. Ich glaube nicht, dass er Hilfe braucht, um in den Himmel zu kommen."
Papst Johannes Paul II. wurde nach seinem Tod gleich vier Mal getauft. Einer seiner Vorgänger, Pius XII., erhielt neben der Taufe auch gleich die Sakramente der Ehe - er wurde nach seinem Ableben mit einer gewissen Frau Eugenio Pacelli verheiratet. Auch wenn die Praxis unpassend sei, warnt Thomas Weinandy von der Katholischen Bischofskonferenz in den USA davor, die Mormonen-Taufen allzu ernst zu nehmen. "Was die Päpste betrifft, ist dies wohl eher lustig. Sie sind doch schon im Himmel. Auch wenn es tatsächlich funktioniert - es wäre wohl überflüssig."