Im Bistum Passau sollen einer Studie zufolge zwischen 1945 und 2022 mindestens 154 Geistliche übergriffig gewesen sein - sie haben demnach Gewalt ausgeübt, Hunderte Minderjährige sexuell missbraucht oder beides. Die Opfer waren überwiegend Jungen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Passau mit dem Titel "Sexueller Missbrauch und körperliche Gewalt. Übergriffe auf Minderjährige durch katholische Geistliche im Bistum Passau 1945 bis 2022".
Mindestens 672 Kinder und Jugendliche sollen potenziell von Missbrauch oder Gewalt betroffen gewesen sein - während einer Internats- oder Heimunterbringung, im Religionsunterricht oder beim Ministrantendienst.
Es könnten aber je nach Schätzung auch doppelt so viele Opfer gewesen sein, vieles liege im Dunkeln. "Plausibel erscheint es aber in jedem Fall, dass die tatsächliche Zahl der Betroffenen im Bistum Passau über dem gesichert erscheinenden Minimalwert von 672 liegt", heißt es in dem rund 400 Seiten starken Bericht.
Viele Geistliche mutmaßlich Mehrfachtäter
Die 154 Beschuldigten seien etwa 6,4 Prozent der in diesem Zeitraum geschätzt 2.400 tätigen Priester, Diakone und Ordensgeistlichen. 128 dieser Kleriker sollen sich sexuell an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. "Dies ist nur wenig mehr, als laut anderen Studien in anderen Bistümern zu ermitteln war, was in erster Linie auf Unterschiede in der Methodik zurückzuführen sein dürfte und nicht zwangsläufig auf einen Sonderfall hindeutet", heißt es in der Studie. 86 Prozent der Verdächtigen seien mutmaßlich Mehrfachtäter.
"Die Betroffenenzahlen sind für das Bistum Passau weniger exakt zu ermitteln." Dies liege unter anderem daran, dass in den Quellen oft von Gruppen wie Schulklassen, Ministranten oder Chorkindern die Rede sei, "die Übergriffen eines Priesters ausgesetzt gewesen sein sollen". Wie groß die jeweiligen Gruppen gewesen seien, dafür gebe es nur wenige oder gar keine Anhaltspunkte.
Die Studienautoren gehen daher von einer Mindestanzahl von drei Kindern oder Jugendlichen aus, die eine "Gruppe" bilden und allesamt Betroffene von Missbrauch oder Gewalt waren oder sind. Zudem werden die namentlich oder als anonyme Person zweifelsfrei belegten Betroffenen hinzugerechnet.
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Aufarbeitung und Anerkennungsleistungen
Ende November hatten die Forscher die Studie bereits der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und dem Unabhängigen Betroffenenbeirat des Bistums sowie Bischof Stefan Oster übergeben.
Hintergrund ist die im Jahr 2018 veröffentlichte sogenannte MHG-Studie der katholischen Kirche in Deutschland. Diese listete Tausende Missbrauchsfälle, Täter und Opfer auf. In der Folge begannen die Bistümer mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung, darüber hinaus gab und gibt es für Betroffene Anerkennungsleistungen.
Info zur Studie