Spitzenpolitiker fast aller Parteien haben den Politischen Aschermittwoch zu markigen Worten und Angriffen auf den jeweiligen politischen Gegner genutzt. CSU-Chef Markus Söder attackierte in Passau die Ampel-Regierung, insbesondere die Grünen, und forderte erneut Neuwahlen im Bund. Unter anderem SPD-Chef Lars Klingbeil griff seinerseits Söder frontal an. Von der AfD grenzten sich die Redner bei nahezu allen Kundgebungen aufs Schärfste ab.
Weniger gesellig ging es im baden-württembergischen Biberach zu. Dort sagten die Grünen ihre Veranstaltung wegen massiver Proteste von Bauern kurzfristig ab. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte die Tumulte vor der Veranstaltung der Grünen als Grenzüberschreitung. "Wenn eine politische Veranstaltung wegen Gepöbel und Gewalt abgesagt werden muss, dann ist eine rote Linie überschritten", sagte sie. Legitimer Protest ende dann, wenn Menschen eingeschüchtert und bedroht würden. Hunderte Menschen, darunter auch Landwirte, hatten lautstark vor der Halle in Biberach demonstriert. Laut Polizei kam es auch zu aggressivem Verhalten, mehrere Polizisten wurden verletzt.
Was bleibt von dem ereignisreichen Aschermittwoch? Ein Blick in die Presse
"Schwäbische Zeitung": "Verletzte Polizisten, eine Attacke auf die Fahrzeugkolonne eines Bundesministers, Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Randalierer, brennende Strohballen vor der Stadthalle: Mitten in Biberach haben sich gestern am Rande des daraufhin abgesagten politischen Aschermittwochs der baden-württembergischen Grünen Szenen abgespielt, die in Oberschwaben bislang so nicht vorstellbar waren. Die Eskalation in Biberach ist als Zeichen einer voranschreitenden Spaltung der deutschen Gesellschaft zu verstehen, die uns mittelfristig amerikanische Verhältnisse zu bringen droht. Geschrei statt Gespräch, Aggression statt Ausgleich, Gegnerschaft statt Ideenwettstreit: Wollen wir das? Wo auch immer sie sich im politischen Spektrum zwischen links und rechts verorten mögen: Es ist die Aufgabe aller Demokraten, sich unmissverständlich von den extremen Rändern abzugrenzen und gleichzeitig Kompromissfähigkeit und Gesprächsbereitschaft in alle anderen Richtungen zu signalisieren. Miteinander zu schwätzen hilft."
"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Es schadet der Demokratie, wenn gewählte Politiker mit Gewalt daran gehindert werden, zu Veranstaltungen zu gelangen. Wenn sich Demokraten gegenseitig verunglimpfen. Die Gesellschaft befindet sich in all den Krisen im Dauer-Ausnahmezustand. Populisten und Extremisten treiben die Polarisierung voran und schüren das Misstrauen in die Demokratie, Politiker, Parteien und staatliche Institutionen."
"Stuttgarter Nachrichten": "Das geht zu weit. Dass Menschen mit Gewalt abgehalten werden, Argumente auszutauschen, ist inakzeptabel. So weit darf es nicht kommen. Denn in unserem Rechtsstaat gilt nicht das Recht des Stärkeren. Demokratie lebt vom Streit, aber mit Argumenten. Dass das auch mit Wut im Bauch möglich ist, zeigten die Landwirte, die auf einer angemeldeten Kundgebung hinter der Stadthalle mit dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir diskutierten."
"Volksstimme": Karneval in Deutschland ist längst nicht immer lustig. Das mussten die Grünen in Biberach erleben. Dort wollten sie den Aschermittwoch politisch gebührend begehen, wie es sich für eine Regierungspartei in Land und Bund gehört. Nichts da: Auseinandersetzungen zwischen Ordnungskräften und Bauern in Wut verhindern die fröhliche Sause in Baden-Württemberg. Selbst zünftiges Brauchtum wird von den Kämpfen der deutschen Krisenrealität eingeholt. Überhaupt ist der Karnevalsausklang für die Grünen ein Tag zum Vergessen. CSU-Chef Markus Söder spricht ihnen bei seinem Bierhallen-Auftritt die Regierungsfähigkeit ab. Ein schwerer Dämpfer für die Partei. Hatte CDU-Vorsitzender Merz die Grünen nicht gerade zum möglichen Bündnispartner hochgejubelt? Für den Fall von Schwarz-Grün in Berlin könnte Söder seine Sprüche wahr machen und Bayerns Unabhängigkeit erklären. Das wäre für viele Deutsche ein Drama, für andere aber befreiend."
"Straubinger Tagblatt": Bekanntlich wird die Agrarpolitik – von der Dieselsubvention einmal abgesehen – ganz wesentlich auf EU-Ebene geregelt. Vier Monate vor der Europawahl hätten die Parteien die Gelegenheit, Aschermittwoch auch dazu nützen können, klarzumachen, wie sie sich da positionieren – denn die Unterschiede sind groß. Dem geneigten Wähler wäre damit mehr geholfen als mit noch mehr Witzen über die Ampel."