Drei Todesopfer Prozess um Klinikbrand - Patient wegen Demenz schuldunfähig?

In dem sogenannten Sicherungsverfahren geht es um die Frage, ob der mutmaßliche Krankenhaus-Brandstifter auf Dauer in einer Psyc
In dem sogenannten Sicherungsverfahren geht es um die Frage, ob der mutmaßliche Krankenhaus-Brandstifter auf Dauer in einer Psychiatrie untergebracht werden muss. Foto
© Christian Charisius/dpa
Mitten in der Nacht soll ein Patient sein Krankenhausbett angezündet haben. Drei Menschen sterben. Dem mutmaßlichen Brandstifter droht die dauerhafte Unterbringung in einer Psychiatrie.

Knapp sechs Monate nach dem verheerenden Brand im Hamburger Marienkrankenhaus wird der mutmaßliche Brandstifter in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben. Der 73-Jährige hat volles graues Haar, einen wachen Blick und antwortet auf die Frage der Richterin nach seinem Namen mit fester Stimme.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der ältere Mann wegen einer fortschreitenden Demenz schuldunfähig ist. Der Prozess am Landgericht Hamburg ist ein sogenanntes Sicherungsverfahren, bei dem es um die Frage geht, ob der Beschuldigte auf Dauer in einer Psychiatrie untergebracht wird.

Vorwurf: Brandstiftung und dreifacher Mord

Dem ehemaligen Patienten des Krankenhauses wird vorgeworfen, in der Nacht zum 1. Juni sein Kopfkissen mit einem Feuerzeug angezündet und so den Brand mit drei Toten und zahlreichen Verletzten verursacht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Deutschen besonders schwere Brandstiftung mit Todesfolge und Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in drei Fällen vor.

Das Zimmer des Mannes im Erdgeschoss des Krankenhauses im Stadtteil Hohenfelde brannte vollständig aus. Der Rauch beschädigte die gesamte geriatrische Station und weitere Zimmer in dem Gebäude, wie die Staatsanwältin erklärt. Drei Patienten - nach früheren Angaben im Alter von 84, 85 und 87 Jahren - starben an einer Kohlenmonoxidvergiftung.

Verletzte Krankenschwester erlitt Herzinfarkt

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34 weitere Menschen wurden verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich, wie die Feuerwehr nach dem Brand mitgeteilt hatte. Zwei Pflegerinnen und ein anderer Patient erlitten zum Teil schwere Inhalationstraumata. Eine der verletzten Krankenschwestern bekam außerdem einen Herzinfarkt, ebenso ein Security-Mitarbeiter. Bei weiteren Patienten seien leichtere Symptome sowie psychische Belastungsstörungen aufgetreten.

Der 73-Jährige war nach dem Brand festgenommen und vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden. Er zählte nicht zu den Verletzten.

Todesopfer relativ weit weg vom Brandherd

Wie dramatisch der Brand war, erklärt eine Anwältin, die zwei Geschwister eines Verstorbenen als Nebenkläger vertritt. Der weit über 80 Jahre alte Patient habe in einem Zimmer gelegen, das sich der Zimmernummer nach relativ weit weg von dem Brandherd befand. Der Senior sei zur Reha in der Klinik gewesen und habe eigentlich entlassen werden sollen. Anwältin Claudia Krüger zeigt sich überzeugt, dass er "sicher noch ein paar schöne Jahre vor sich gehabt hätte, wenn der Brand nicht passiert wäre".

Auch die beiden anderen Todesopfer lagen in anderen Krankenzimmern der geriatrischen Station. Ein Patient, der mit dem mutmaßlichen Brandstifter das Zimmer teilte, konnte dagegen von Pflegekräften und Feuerwehrleuten gerettet werden.

Rettung mit Fluchthauben und Drehleitern

Bei Eintreffen der Einsatzkräfte hätten mehrere Patienten an den Fenstern um Hilfe gerufen haben, sagte ein Feuerwehrsprecher am Brandort. Ältere Kranke im Rollstuhl mussten mit Fluchthauben durch verqualmten Flure gebracht werden. Patienten, die einigermaßen mobil waren, wurden über eine Drehleiter oder tragbare Leitern gerettet.

Die Flammen waren nach 20 Minuten gelöscht. Doch rund 220 Feuerwehrleute und Retter waren an jenem Sonntagmorgen über mehrere Stunden im Einsatz.

Ermittlungen gegen Krankenhaus-Verantwortliche

Ihre Mandanten beschäftige die Frage nach dem Warum, sagte Nebenklagevertreterin Krüger. Es gebe dazu weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Diese richten sich gegen Verantwortliche aus dem technischen Bereich des Krankenhauses, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte. Es bestehe der Verdacht der fahrlässigen Tötung. Die Ermittlungen seien noch im vollen Gange und es stünden mehrere Gutachten aus.

Nach Angaben des Hamburger Senats verfügt das Marienkrankenhaus über verschiedene technische Brandschutzeinrichtungen, aber keine Sprinkleranlagen. Das sei in Krankenhausbauten aber auch nicht regelhaft vorgesehen, hieß es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Das größte Hamburger Krankenhaus, das Universitätsklinikum Eppendorf, habe Sprinkleranlagen nur in offenen Fluren und im Bereich der Anmeldungen.

Prozess möglicherweise nicht-öffentlich

In den Hamburger Krankenhäusern - laut Krankenhausgesellschaft sind es 36 - kommt es häufiger zu Bränden. Die Feuerwehr zählte nach Angaben des Senats im vergangenen Jahr 32 Brände, von denen acht gelegt wurden. Im Jahr 2023 brannte es 43 Mal in den Hamburger Kliniken, zehnmal infolge einer Brandstiftung.

Das katholische Marienkrankenhaus ist eine der größten Kliniken Hamburgs. Es hat nach eigenen Angaben rund 600 Betten und behandelt jedes Jahr etwa 93.000 Patienten. Das Krankenhaus ist auf die Versorgung älterer Menschen spezialisiert.

Das Gericht hat sechs weitere Verhandlungstermine angesetzt. Die Strafkammer erwäge, die Öffentlichkeit am nächsten Verhandlungstag (3. Dezember) auszuschließen, sagt die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner.

dpa