Auslandserfahrung Lehramtsstudierende zieht es ins Ausland – Lehrkräfte zögern

Neben Studierende im Lehramt können auch Lehrer und Lehrerinnen im Beruf im Ausland ein Praktikum absolvieren. (Symbolbild) Foto
Neben Studierende im Lehramt können auch Lehrer und Lehrerinnen im Beruf im Ausland ein Praktikum absolvieren. (Symbolbild) Foto
© Sebastian Gollnow/dpa
Während ein Praktikum im Ausland für Lehramtsstudierende immer stärker nachgefragt wird, ist die Möglichkeit des zeitweisen Aufenthalts im Ausland für Lehrer deutlich unbekannter. Wieso?

Auslandsaufenthalte für Studierende im Lehramt sind in Thüringen mitunter gefragt. Aktuell entschieden sich etwa 14 Prozent der Studierenden im Praxissemester für einen Aufenthalt im Ausland, die Tendenz sei steigend, sagt Britta Möbius vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena zusammen. Beliebtestes Zielland sei Spanien. "Lehramtsstudierende sollen Schülerinnen und Schüler zukünftig auf eine immer stärker globalisierte Welt vorbereiten – dafür müssen sie aus meiner Sicht auch etwas davon gesehen haben", so Möbius' Einschätzung. 

Auch von Uni Erfurt geht's für Lehramtsstudis in die Welt

Auch in Erfurt steige die Nachfrage stetig, erklärt Madlen Protzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Erfurt. Im Wintersemester 2014/2015 habe gerade einmal ein Prozent der Lehramtsstudierenden an einem Auslandspraktikum teilgenommen. Aktuell nutzten 58 Studierende diese Möglichkeit im Rahmen des "Komplexen Schulpraktikums" (KSP), das entspreche einem Anteil von 19 Prozent. Thüringen liege damit über dem Durchschnitt im Ländervergleich, vor allem im Bereich Grundschule. 

Einen bedeutenden Schub habe 2021 die Einführung des Projekts "Erfurter Lehramtsstudierende im Ausland" (Elsa) gegeben, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert wird. Die beliebtesten Zielländer seien Spanien, Italien und Österreich. Aber auch in Finnland, Israel, Namibia oder auf den Philippinen seien bereits Praktika absolviert worden.

Anderer Umgang mit kultureller Vielfalt möglich

Der Nutzen dieser Erfahrung sei groß, sind sich beide Expertinnen einig: Auslandsaufenthalte könnten dazu beitragen, interkulturelle Kompetenzen, das Reflexionsvermögen und die Selbstwirksamkeit angehender Lehrkräfte zu fördern, so Protzel. 

Studien zufolge könnten internationale Erfahrungen die Fähigkeit stärken, mit Schülern mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund im Klassenzimmer professioneller umzugehen und innovative pädagogische Perspektiven zu entwickeln. Die Studierenden könnten dadurch ihren Horizont deutlich erweitern und neue Perspektiven gewinnen, ergänzt Möbius.

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Lehrer im Auslandsaufenthalt eher selten 

Deutlich weniger präsent als die Angebote für Studierende ist der Auslandsaustausch für Lehrer im Beruf. "Diese Möglichkeit ist relativ unbekannt", sagt Paul Menger, Bildungsreferent bei der Lehrergewerkschaft GEW Thüringen. Das habe mehrere Gründe: Zum einen seien in Zeiten des Lehrermangels die Länder und Schulen nicht sonderlich erpicht darauf, vorhandene Lehrer freizustellen, da Lehrkräfte dringend gebraucht würden.

Aufgrund der langen Ausbildung und des vergleichsweise hohen Alters beim Eintritt in den Lehrerberuf stünden auch bei den Lehrern selbst eher Aspekte wie Sicherheit im Vordergrund. "Nicht zuletzt fehlt vielen Lehrern aufgrund des hohen Drucks im Schulalltag auch einfach die Zeit, sich über einen solchen Schritt Gedanken zu machen", so Menger. Vonseiten der Bundesregierung seien die Länder zwar angehalten, sich an Programmen für den Auslandsdienst zu beteiligen, aus dem genannten Grund sei das Engagement auf diesem Gebiet aber oft nicht sehr hoch. 

Auswärtiges Amt und Pädagogischer Austauschdienst

Das macht auch eine Anfrage beim Thüringer Bildungsministerium deutlich. Ein Ministeriumssprecher verwies auf das Vorhandensein von Hospitations- und Fortbildungsprogrammen des Auswärtigen Amts, des Pädagogischen Austauschdienstes und der Jugendwerke. Belastbare Zahlen konnte das Ministerium aber nicht bereitstellen. 

"Wir sehen den Druck im Schulsystem natürlich", fasst Menger zusammen. Klar sei aber auch, dass Internationalität in vielen Bereichen der Gesellschaft eine immer größere Rolle spiele. Auslandserfahrungen könnten für Lehrer von großem Vorteil sein – sowohl beruflich als auch persönlich. Daher sei es sinnvoll, Auslandsaufenthalte in Zukunft stärker in den Blick zu nehmen und diese zu ermöglichen. Menger: "Ich persönlich würde zumindest allen Lehramtsstudierenden raten, dieses Angebot während des Studiums wahrzunehmen."

dpa