Der Kirchenrechtler Richard Puza hält das Ermittlungsverfahren gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, für nicht nachvollziehbar. Zollitsch sei nicht verantwortlich für die Vorgänge im Kloster Birnau, denn dieses gehöre nicht zum Gebiet der Erzdiözese Freiburg, sagte Prof. Puza in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: "Kirchenrechtlich kann man daher keinen Verdacht der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch gegen den Erzbischof konstruieren."
Der Erzdiözese Freiburg soll bekanntgewesen sein, dass es im Kloster Birnau (Bodenseekreis) zu sexuellen Übergriffen durch einen Pater gekommen sei. Zollitsch soll als damals zuständiger Personalreferent 1987 veranlasst haben, dass dieser Pater erneut angestellt wurde, teilte die Freiburger Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Die Erzdiözese wies die Vorwürfe als unbegründet und "sensationsheischend" zurück.
Nach Angaben Puzas gehört Birnau zur Gebietsprälatur der Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau bei Bregenz (Österreich). Der dortige Abt sei daher zuständig. Das Erzbistum Freiburg habe keinerlei Jurisdiktionsrecht in Birnau.
"Das ist eine besondere Form der Territorialprälatur, die es früher häufig gab und heute kaum noch gibt", sagte Puza. Wenn die Staatsanwaltschaft prüfe, ob das Erzbistum zuständig war oder nicht, müsse sie sich dabei nach kirchlichem Recht richten. Dieses sei im Kanon 370 des kirchlichen Gesetzbuchs (Codex Iuris Canonici) klar geregelt. Zudem seien die Zisterzienser ein Orden päpstlichen Rechts. Nicht der Bischof vor Ort, sondern der Papst in Rom sei dafür zuständig.
"Rechtlich ist Zollitsch also nicht verpflichtet gewesen, aber nach heutigen Regeln steht natürlich der Opferschutz im Vordergrund", sagte Puza. Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen verwies auf das Benediktinerkloster Ettal in Bayern. Dort habe der Münchner Erzbischof Reinhard Marx den Abt wegen des Missbrauchsskandals aus dem Amt gedrängt, obwohl er als Bischof formal nicht zuständig war. "Marx hat durchgegriffen, aber nicht im Rahmen des Kirchenrechts", sagte Puza.