"Leiser Mörder" nennen Engländer und Amerikaner die Krankheit, "silent killer". Ein fieser Name, der es auf den Punkt trifft. Denn meist spüren die Betroffenen nichts, während das Leiden ihre Körper verändert und ihre Gefäßsysteme allmählich zermürbt. Mindestens 16 Millionen Deutsche leiden an Bluthochdruck, der so genannten Hypertonie. Schon jeder Zweite zwischen 35 und 64 Jahren hat zu hohe Messwerte. Doch die Hälfte der Kranken ahnt nichts von ihrem Leiden, da es erst einmal keine Schmerzen verursacht.
Chronisch erhöhter Blutdruck entsteht, wenn irgendein Rädchen im Gefäß-, Ausscheidungs- und Herzschlag-Stellwerk unseres Körpers nicht mehr sauber läuft. Wenn die Arterien durch Nerven- und Botenstoff-Signale ständig eng gestellt werden, oder wenn die Niere nicht genug Salz und Flüssigkeit ausscheiden kann und das Herz deshalb zu viel Blut durch das Gefäßnetz pressen muss. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: familiäre Vorbelastung, Übergewicht, zu wenig Bewegung, zu viel Salz, zu viel Alkohol, Stress, Schichtdienst, Arbeitslosigkeit, Mobbing, Lärm oder bestimmte Medikamente.
Es entsteht ein Teufelskreis: Wer dauernd zu hohen Blutdruck hat und nichts dagegen unternimmt, dessen Arterien verändern sich unaufhaltsam, weil sie dem überschießend pulsierenden roten Saft standhalten müssen. Die glatten Muskelzellen in der Gefäßwand vermehren sich, die Wand wird dicker und der Hohlraum kleiner, durch den das Blut fließen kann (siehe Infografik). Damit steigt wiederum der Widerstand in den Gefäßen, das Herz muss ackern wie ein Bodybuilder, um das Blut hindurchzupressen wie Löschwasser durch eine Feuerwehrspritze. Schließlich können die Arterien ganz verstopfen oder platzen. Solche Gefäßveränderungen manifestieren sich an unterschiedlichen Organen: Blutungen im Auge, Nierenversagen, Angina-pectoris-Anfälle, Herzmuskelschwäche, Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Trotz aller grausamen Folgen gibt es immerhin zwei positive Nachrichten zu verkünden: Erstens gehört die Behandlung des Bluthochdrucks zu den erfolgreichsten Therapien überhaupt - falls Arzt und Patient gut zusammenarbeiten. Und zweitens können viele Betroffene ihren Blutdruck auch ohne Tabletten drosseln.
Amerikanische Untersuchungen zeigen, dass Erkrankte mit leichter Hypertonie es schaffen, ihre Werte innerhalb von sechs Monaten deutlich zu senken - durch mehr Bewegung und gesündere Ernährung, durch Verringerung des Alkoholkonsums und Gewichtsreduktion. Ein Drittel der Probanden erreichte sogar Idealwerte unter 120 zu 80 mmHg (sprich Millimeter Hg. Ab Werten von 140 zu 90 mmHg spricht man von Bluthochdruck.) "An jedem Rädchen ein bisschen zu drehen bringt schon eine ganze Menge", sagt Professor Martin Middeke, der das Ratgeber-Buch "Blutdrucksenken ohne Medikamente" geschrieben hat (Trias Verlag Stuttgart, 19,80 Euro). Wer als Übergewichtiger ein Kilogramm abnimmt, verringert den Druck in seinen Adern um bis zu drei mmHg. Regelmäßiger Ausdauersport bringt noch einmal bis zu zehn mmHg.
Und auch Entspannungstechniken wie autogenes Training, spezielle Muskelentspannungen oder Yoga weiten die Gefäße. Die Spezialisten empfehlen zudem mediterrane Küche mit viel Gemüse, Fisch und pflanzlichen Ölen. Und sie warnen vor Kochsalz. Denn die Nieren vieler Hypertoniker können Salz nicht mehr richtig ausscheiden, wodurch zu viel Flüssigkeit im Körper bleibt. "Das meiste Salz ist in Nahrungsmitteln enthalten, bei denen wir gar nicht daran denken, etwa in Brot, Wurst oder Speisen aus Konservendosen", sagt Professor Walter Zidek, Hypertonie-Experte an der Charité in Berlin.
Für Patienten, bei denen eine Umstellung der Lebensweise nicht ausreicht, um das Problem zu lösen, steht eine ganze Batterie von Medikamenten zur Verfügung. Sie setzen an unterschiedlichen Stellen im Körper an: Beta-Blocker senken die Herzfrequenz. ACE-Hemmer, Calcium-Antagonisten und AT1-Blocker erweitern die Gefäße und reduzieren damit den Widerstand. Entwässerungsmittel (Diuretika) erhöhen die Flüssigkeitsausscheidung und verringern damit das Volumen des Bluts, das durch die Gefäße zirkuliert. Letztere Medikamentengruppe, ein Klassiker der Bluthochdruck-Therapie, schnitt in einer aktuellen amerikanischen Vergleichsstudie am besten ab: Diuretika erwiesen sich als genauso effektiv wie die anderen Mittel, zum Teil sogar als besser - und sind wesentlich billiger. Allerdings können Medikamente gegen Bluthochdruck, wie alle Arzneien, Nebenwirkungen haben.
Und wenn der Arzt diese nicht vorher mit den Patienten bespricht, vergeht ihnen schnell die Lust am Schlucken. Bei männlichen Patienten etwa untergräbt oft das Tabu-Thema Impotenz den Erfolg der Hochdruck-Therapie. In 20 Prozent der Fälle können sowohl Beta-Blocker als auch Entwässerungsmittel zeitweise die Manneskraft erlahmen lassen. "Ist doch verständlich, dass der Patient die Packung wegschmeißt und beim nächsten Arzttermin nicht auftaucht, wenn im Bett nichts mehr läuft", sagt Professor Jörg Michael Herrmann, Hochdruck-Experte an der Rehaklinik Glotterbad bei Freiburg. Wenn der Doktor aber bereits im Vorhinein das Problem anspreche und für den Fall von Potenzschwierigkeiten Alternativen anböte, sei ein stabiles Vertrauensverhältnis geschaffen, das sich für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit eigne.
So unspektakulär die Senkung des Bluthochdrucks erscheinen mag - sie kann unsere Gesundheitsstatistik entscheidend beeinflussen. "Wenn heutzutage jemand ein Herz transplantiert bekommt, steht es dick in der Zeitung", sagt Professor Martin Middeke. "Dabei ist es doch genauso bemerkenswert, wenn ein Hausarzt seine Bluthochdruck-Patienten gut behandelt und diese Menschen ihre Lebensgewohnheiten erfolgreich umstellen. Damit werden Tausende von Herzen gerettet."
Anika Geisler
Blutdruckmessgerät Test: Hier geht es zum Blutdruckmessgerät Vergleich.