Burnout bei Jugendlichen "Ich kann nicht mehr!"

Müde, völlig ausgebrannt: Die Schülerin Sophia stresste der Schulalltag so sehr, dass sie an einem Burnout erkrankte. (Symbolbild)
Müde, völlig ausgebrannt: Die Schülerin Sophia stresste der Schulalltag so sehr, dass sie an einem Burnout erkrankte. (Symbolbild)
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Sie lernte bis spät in die Nacht, war geplagt von Panik und Versagensängsten: Irgendwann war Sophia, 15 Jahre alt, ausgebrannt und kaputt. Die Diagnose: Burnout. Wie konnte es so weit kommen?

Sophia* ist 15, lebt in einer kleinen Stadt in Norddeutschland und geht aufs Gymnasium. Ihr Vater ist selbstständig, ihre Mutter ist Hausfrau. Sophia ist zierlich und trägt Jeans, Chucks-Turnschuhe und eine Lederjacke. Keiner ihrer Freunde ahnt, dass sie regelmäßig nach Hamburg fährt und dort beim Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort in Behandlung ist. Nur die Eltern und die Schwester wissen Bescheid: Sophia hatte eine Erschöpfungsdepression, auch genannt Burnout. Ende des vergangenen Jahres ging es ihr immer schlechter - im März 2015 begann sie die Therapie.

Sie war erschöpft und entkräftet

Sophia ist eine sehr gute Schülerin: Sie hat hauptsächlich Einser auf dem Zeugnis, sonst nur noch Zweier. Und dennoch: Sie wollte sich perfekt vorbereiten, lernte bis zehn Uhr abends, auch wenn die Eltern sagten: "Jetzt lass es mal gut sein." "Wenn drei Arbeiten in einer Woche anstanden, kriegte ich Panik", erzählt sie. "Ich hatte Angst, dass alles, was ich gelernt hatte, wie ein Kartenhaus zusammenbricht."

Im vergangenen Winter verschlechterte sich ihr Befinden: Sophia traf sich nicht mehr mit Freunden, ließ ihr Fußball-Training ausfallen, saß nur noch auf dem Zimmer und lernte. Sie hatte Schmerzen an verschiedenen Stellen des Körpers. Abends nickte sie entkräftet um acht Uhr vor dem Fernseher ein. Sie weinte viel und sagte zu ihren Eltern: "Ich kann nicht mehr."

Nachts konnte sie oft bis ein Uhr nicht einschlafen, grübelte stundenlang, fühlte sich am nächsten Morgen gerädert und konnte sich in der Schule nicht mehr konzentrieren. Dann kam erneut die Sorge, etwas nicht richtig zu können, in der Prüfung nicht gut zu sein und zum Gespött der Mitschüler zu werden. Und wieder saß Sophia in ihrem Zimmer und lernte bis spät abends.

Im Winter merkte die Mutter, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte. Alle Gespräche, dass Sophia nicht so viel lernen müsse, weil sie doch eine exzellente Schülerin sei, nützten nichts. Auch nicht der Satz: "Du kannst doch auch mal ´ne Vier schreiben, das macht doch nichts." Die Mutter googelte schließlich die Begriffe "Burnout" und "Kinder und Jugendliche" und landete bei Professor Schulte-Markwort, Kinder- und Jugendpsychiater am Hamburger Uniklinikum und Kinderkrankenhaus Altona und Autor des Buches "Burnout-Kids". Ihm schrieb sie eine Email mit Bitte um Hilfe. Der Professor antwortete schnell, dass Mutter und Tochter gerne in seine Sprechstunde kommen könnten.  Die Mutter zeigte der anfangs zögerlichen Sophia den Arzt in einer Talkshow im Fernsehen - die Tochter stimmte schließlich zu, den Psychiater aufzusuchen. Gemeinsam fuhren sie nach Hamburg.

"Als ich dem Professor erzählte, wie es mir ging, fiel eine große Last von mir ab", berichtet Sophia. "Ich habe in dem Gespräch viel geweint, aber ich fühlte mich danach erleichtert." Der Psychiater stellte die Diagnose Burnout und verschrieb dem Mädchen ein leichtes Antidepressivum, das schlafanstoßend wirkt. Sie lernte autogenes Training, das sie in stressigen Situationen im Alltag anwenden konnte.

Zurück in ein normales Leben

In der dritten Behandlungsstunde erarbeiteten Arzt und Patientin einen Lernplan für die nächste Lateinarbeit: sieben Tage vorher beginnen, einmal am Tag zehn Minuten Vokabeln, fünf Minuten Textarbeit, keine Grammatikübungen. "Ich habe mich an den Plan gehalten, auch wenn es mir anfangs schwer fiel", erzählt Sophia. "Ich fühlte mich nicht mehr so unruhig und getrieben. Ich hatte mehr Zeit und bin wieder zum Fußballtraining gegangen." Sie schrieb die beste Arbeit der ganzen Klasse - trotz des geringeren Lernaufwands.

Im Moment fährt Sophia noch alle zwei Wochen für die Behandlung nach Hamburg. Jetzt geht es darum, in der Gesprächstherapie ihr Selbstwertgefühl zu stärken und Ängste zu nehmen. Sophia sagt: "Mir geht es viel, viel besser." Sie hofft, dass sie mit ihrer Geschichte anderen Kindern und Jugendlichen, die sich ähnlich fühlen, helfen kann.

 

* Name von der Redaktion geändert

Mehr zum Thema finden Sie im stern Nr. 30/2015:

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