Sie nannten ihn den „Nebelschocker“. Es war ein Cocktail, der im "Weitzmann" besonders oft bestellt wurde. Der "Nebelschocker" blubberte, zischte, und plötzlich waberten Dampfschwaden aus dem Glas. "Das war schon ein Showeffekt", sagt Christian Weitzmann, Besitzer des nach ihm benannten Berliner Lokals. "Die Leute haben sich erschrocken und nach dem Brandherd gesucht."
Wie kalt ist das Eis wirklich?
Der "Nebelschocker" verdankte seine Existenz einem speziellen Eis, das die Barkeeper in das Getränk schütteten. Vertrieben wird es von der Berliner Firma "ICEPower" für 39 Euro pro Kilo. Im Internet wirbt die Firma damit, dass das Eis "absolut gefahrlos für die Gesundheit des Konsumenten" ist. Es wirke ähnlich wie Trockeneis. Doch würden nicht so tiefe Temperaturen - bis zu 78 Grad minus - erreicht.
Es gibt allerdings Hinweise, dass das angebliche Wundereis sogar für noch eisigere Kälte im Glas sorgt. Die Sat.1-Sendung "Akte 03" ließ es vom Institut für Technische Chemie an der Technischen Universität Berlin untersuchen. Wissenschaftler fanden heraus, dass "ICEPower" - wie Trockeneis - überwiegend aus Kohlendioxid besteht. Obwohl der Hersteller angab, das Eis habe eine Temperatur von ungefähr 50 Grad minus, schlug das Thermometer der Chemiker auf minus 91 Grad aus.
Wissenschaftler warnen - und der Hersteller auch
Damit könne es bei Hautkontakt zu Erfrierungen kommen, sagen die Wissenschaftler voraus. Im Fall von "ICEPower" seien besonders die Hände, der Mundinnenraum und die Lippen der Cocktailtrinker gefährdet. Mittlerweile räumt auch die Geschäftsführung von "ICEPower" ein, dass ein Gesundheitsrisiko besteht. "Es kann unter Umständen sein, dass es Verbrennungen gibt", sagt Geschäftsführer Alexander Stewowitsch von der "ICEPower GmbH". Die Kunden sollten das Eis lieber nicht in den Mund nehmen, rät Stewowitsch.
"Die Leute sind begeistert"
Für Gastronom Weitzmann war nach eigenen Worten auch das Auftreten der jungen Firma etwas nebulös. "Das waren junge Leute. Die Vertreter kamen in das Lokal, verkauften die Ware und verschwanden wieder. Eine Telefonnummer haben sie nicht hinterlassen", erinnert er sich. In Berlin rekrutierte "ICEpower" Mitarbeiter über einen Personalvermittler. Und auch in anderen Städten, vor allem in Hamburg, trat das junge Unternehmen über Vertreter in Erscheinung, wie verschiedene Barkeeper berichten.
Lebensmittelschützer sind aufmerksam geworden
"Die Leute sind begeistert von unserem Produkt", glaubt Stewowitsch. Nicht nur in Deutschland, auch international will "ICEPower" sein Wundereis jetzt vertreiben. Doch der "neue Kult", wie die Firma ihr Produkt selbst nennt, könnte schon bald beendet sein. Das Staatliche Referat für Lebensmittelschutz in Berlin beschäftigt sich nach Sat.1-Informationen mittlerweile mit dem Zaubereis, und in vielen Cocktailbars wird "ICEPower" erst gar nicht ins Sortiment aufgenommen.
Der Nebel verzieht sich wieder
Viele Berliner Cocktail-Mixer, die das Spezialeis bislang verwendeten, haben es mittlerweile vom Tresen verbannt. Auch die "Marlene Bar" in Berlin. "Als wir gehört haben, dass das Eis ungesund ist, haben wir es sofort von der Cocktailkarte gestrichen", sagt Barkeeperin Tina Machals. Auch im "Weitzmann" wird kein Nebel mehr aus dem "Nebelschocker" emporsteigen.