Die Welt dreht sich schneller und schneller. Sicherlich, das ist eine gefühlte und keine physikalische Wahrheit, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sich viele Menschen zunehmend gestresst und überfordert fühlen. Es ist schwer geworden, in dieser immer mobilen To-go-Gesellschaft und bei der Dauerbeschallung von allen Seiten einen Moment Ruhe zu erhaschen. Die Schweden haben dagegen ein Rezept für uns gefunden: Schweden auf Rezept.
"Wussten Sie, dass Schweden das einzige Land ist, das Ärzte verschreiben können?", mit dieser Frage beginnt der neue Schweden-Imagefilm. Zu sehen ist eine Frau im Arztkittel. In dem Land gebe es viele Aktivitäten, die guttäten, sagt sie ernst. Dann zoomt die Kamera heraus und offenbart: Die Frau steht bis zum Bauch in einem gefrorenen See – der Blick ernst, die Mine unberührt. Eisbaden also. In der Folge sieht man sie, unbeeindruckt zwischen nackten Männern schwitzend, über den Parasympathikus dozieren und die entspannende Wirkung des Saunierens ausführen; oder das Nachtleben anpreisen, schließlich gehe in Schweden die Sonne im Sommer 100 Tage lang nicht unter. Man möge sich einmal ausmalen, welche Auswirkungen die Mitternachtssonne auf das Wohlbefinden habe, das sei quasi Lichttherapie 24/7.
Klingt lustig? Ist es auch. Aber nicht nur. Die Tourismusinitiative fußt tatsächlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. An der Entwicklung war ein fünfköpfiges internationales Forscherteam mit Experten aus Schweden, den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland beteiligt. Sie haben Aktivitäten und Lebensweisen herausgearbeitet, die das Wohlbefinden steigern, Stress reduzieren, für mehr Ausgeglichenheit im Alltag sorgen und die Stimmung aufhellen können. Aktivitäten, die sich gerade in Schweden besonders anbieten.
Das schwedische Rezept
Schwedens Landschaft besteht zu 70 Prozent aus Wäldern. Das Land zählt mehr als 5000 Naturschutzgebiete und 100.000 Seen. Die Natur ist überall und dank des Jedermannsrechts für alle zugänglich. Auch das Camping ist überall frei. In der Wissenschaft finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass das Landleben im Vergleich zum Leben in der Stadt gesünder ist. In naturnahen Gegenden leiden die Menschen demnach seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischen Atemwegserkrankungen, außerdem kommt es seltener zu vorzeitigen Todesfällen. Sie spüren zudem weniger Stress, und das Risiko für psychische Erkrankungen ist geringer. Schon ein einstündiger Spaziergang in der Natur sorgt dafür, dass das Gehirn zur Ruhe kommen kann, die Hirnaktivität abnimmt und Stress reduziert wird.
Kein Wunder also, dass die Wissenschaftler das Waldbaden und das Sammeln von Pilzen, Früchten und Kräutern in der Natur hervorheben. Beides kann zum Stressabbau und zur geistigen Erholung beitragen. Regelmäßige Bewegung ist der physischen und psychischen Gesundheit zuträglich. So wird unter anderem das Radfahren und Gehen mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Schweden ist gespickt mit regionalen und nationalen Radwegen, mit Routen, die in wenigen Stunden zu bewältigen sind oder auch mehrere Tage dauern können.
Im Sommer geht die Sonne in Teilen Schwedens nicht unter. Mehrere Wochen lang steht die Mitternachtssonne oberhalb des Polarkreises über dem Horizont. Das bedeutet: 24 Stunden Tageslicht. Längere Aufenthalte im Freien bei Tageslicht können zu einem verbesserten Wach-Schlaf-Rhythmus beitragen. Zudem weisen wissenschaftliche Beobachtungen darauf hin, dass der Blick in den klaren Nachthimmel das Wohlbefinden steigern kann. Schweden ist vielerorts frei von Lichtverschmutzung, was den Blick auf die Sterne freimacht.
Das kühle Klima in Schweden kann der Schlafqualität zugutekommen. Laut Sleep Foundation wirkt sich eine Umgebungstemperatur von 18 Grad positiv auf die Tiefe und Erholsamkeit des Schlafes aus. Zudem gehört die Luftqualität Schwedens zu den besten Europas, was zu gesunden Atemwegen beitragen kann. Schon länger hat in dem Land daher auch der Schlaftourismus Einzug erhalten, bestimmte Unterkünfte laden explizit zum Tiefschlaf-Retreat ein.
Schwedische Lebensweisen, die gut fürs Wohlbefinden sind
Dass die Menschen im hohen Norden besonders glücklich sind, ist schon länger bekannt. Die skandinavischen Länder führen stabil den World Happiness Report der Vereinten Nationen an. 2025 landete Schweden dort nach Finnland, Dänemark und Island auf dem vierten Platz. Die Menschen fühlen sich in dem Königreich sicher und zufrieden, die Work-Life-Balance stimmt. Auch wenn die schwedischen Wälder weit entfernt sind, der heimische Stadtsmog den Blick auf die Sterne trübt und der Verkehr den Fahrradfahrspaß vergällt – von den Schweden lernen können wir trotzdem. Einige Gewohnheiten lassen sich ganz einfach adaptieren.
Fika: Die kleine gemeinsame Pause
Was den Deutschen ihre Kaffeepause ist, ist den Schweden Fika. Gemeint ist dabei eine ritualisierte Auszeit, in der das Smartphone ausbleibt, man durchatmet und Kraft tankt. Meist handelt es sich dabei um gesellige Zusammenkünfte, bei denen bei Kaffee und Zimtschnecke die sozialen Batterien aufgeladen werden können.
Lagom: Der Kompass für Ausgewogenheit
Lagom steht in etwa für "Genau die richtige Menge" und bewusstes Handeln. Lagom ist eine Art innerer Kompass, der dabei hilft, in allen Lebensbereichen Harmonie zu erreichen und Übermaß zu vermeiden – ob nun beim Essen, beim Sport oder bei der Arbeit.
Sauna und Eisbaden
Das Saunieren und Eisbaden ist fest in der schwedischen Kultur verankert, es verbessert die Durchblutung, stärkt die Immunabwehr, fördert die Regeneration, reduziert Stress und verbessert den Schlaf.
Schweden auf Rezept
Auch wenn die Kampagne Schweden als erstes Land ausgibt, das von Ärzten verschrieben werden kann, ist die Verschickung von Patienten nicht neu. Die Schweizer Berge waren aufgrund ihres Heilklimas lange Zeit Anlaufstelle Nummer eins für Menschen mit Atemwegserkrankungen, allen voran Tuberkulose. Der hohe Salzgehalt des Toten Meeres ist bekannt dafür, Hautkrankheiten zu lindern und positiv auf die Bronchien und das Nervensystem zu wirken. Die Thermalquellen auf Ischia sind berühmt für ihre Wirkung bei Rheuma, Atemwegserkrankungen und Frauenleiden. Die Liste der Kur- und Heilorte ist lang. Mit der neuen Kampagne und den modernen wissenschaftlichen Ansätzen ordnet sich Schweden in diese Tradition ein – und das mit viel Humor.