Kommentar Raucher, aufstehen. Und draußen qualmen.

Gestern kritisierte stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges die neuen Gesetze zum Rauchverbot. Sie würden Freiheitsrechte und Menschenwürde verletzen. stern.de-Redakteurin Nina Bublitz sieht das komplett anders: Das Rauchverbot war überfällig, findet sie.

Klar, viele Raucher sind sauer. Der Zug an der Zigarette wird künftig weniger Vergnügen bereiten, wenn Raucher frierend auf der Straße stehen. Also klagen sie, dass ihr Recht auf freie Entfaltung gekappt wird. Aber, so ärgerlich es den Rauchern erscheinen mag: Es geht eben nicht anders. Die Entscheidung für das Rauchverbot war eine klare Güterabwägung. Das Recht aller Anwesenden auf unbelastete Luft in Gaststätten zählt mehr als das Recht des Rauchers, in diesen Räumen zu qualmen. Es geht nicht nur um Gestank und Brandflecken. Denn dass nicht nur Rauchen, sondern auch Passivrauchen schädlich ist, wurde längst wissenschaftlich belegt. Es gibt keinen Grund, Rauchen in der Gastronomie noch länger zu tolerieren. Und da die Mehrheit der Raucher nicht freiwillig auf die Zigarette im Restaurant verzichtet, musste ein Verbot her.

Nichtraucher wurden eingeschränkt

Bislang mussten die Nichtraucher aus der Kneipe raus auf die Straße, wenn sie einmal frische Luft schnappen wollten. Bislang mussten alle, die den Qualm kaum ertragen, abwägen, ob sie in eine Kneipe gehen oder lieber zu Hause bleiben - so viel zur freien Entfaltung. Raucher dagegen hatten die freie Wahl. Es gibt genug Raucher, in deren Wohnung Zigaretten tabu sind, damit die Luft gut und die Tapete weiß bleibt - als Alternative konnten sie in der Gastronomie so viel qualmen, wie sie wollten, auf Kosten der Nichtraucher. Jetzt werden eben die Raucher etwas eingeschränkt.

Ja, beim Rauchverbot handelt sich um einen Eingriff des Staates, eine weitere Reglementierung, und das darf, das sollte man sogar kritisieren. Es wäre sicherlich schöner, wenn wir das ohne ein Gesetz hätten klären können: Wenn Raucher aus gutem Willen nicht zwischen Vorspeise und Hauptgang zur Schachtel greifen, sondern erst nach dem Dessert - und nach der zweiten oder dritten Zigarette ganz selbstverständlich draußen rauchen. Und wenn die anderen Anwesenden die drinnen gerauchten Zigaretten akzeptieren, weil sie für das Wohlbefinden des Rauchers wichtig sind, und sich ätzende Kommentar und Nichtraucher-Kreuzzüge sparen. Doch so gut dieses System im privaten Umfeld funktionieren mag, es wäre garantiert in jedem Restaurant, in jeder Kneipe gescheitert. Die Selbstverpflichtung des Gaststättenverbandes, in 30 Prozent aller Speisebetriebe 30 Prozent Nichtraucherplätze einzurichten, war alles andere als überzeugend: Ohne räumliche Trennung verteilt sich der Rauch und wabert auch zu Nichtraucherplätzen. Zudem wurde nie kontrolliert, welche Gaststätten tatsächlich über Nichtraucherplätze verfügten. Im Prinzip wurde gequalmt wie immer - ein Verbot war also unumgänglich.

Zigaretten stehen nicht für Freiheit

Und alle, die jetzt raunen, wo der Staat noch die Bürger einschränken und kontrollieren will, schalten bitte einen Gang runter. Hier geht es ums Rauchverbot. Punkt. Es geht nicht ums Tempolimit, es geht nicht um ein Verbot von fettem Essen oder Zucker, es wird nur ein einziges Recht beschnitten: in Gaststätten zu rauchen. Wegen dieses Beschlusses steigt sicher auch nicht die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Schäuble seine Online-Durchsuchungen im Gesetz verankern darf.

Abgesehen davon taugen Zigaretten sowieso nur bedingt als Freiheitssymbol. Den Eindruck, dass Rauchen cool und verwegen ist, haben Tabak- und Filmindustrie leider Jahrzehnte lang erfolgreich vermittelt. Nach einer Analyse kalifornischer Wissenschaftler wird pro Stunde Hollywoodfilm durchschnittlich elfmal auf der Leinwand geraucht. Und: Seit den 50ern wurden die Rauchszenen nicht seltener, sondern häufiger. Aus diesem Grund fällt es jetzt leicht, alle, die sich für ein Rauchverbot aussprechen, als genussfeindlich und freudlos abzustempeln. Die Raucher werden dagegen als unerschrockene Freiheitskämpfer in Szene zu gesetzt. Blödsinn! Die Tatsache, dass jemand raucht, lässt keine Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu. Die Vorstellung, dass Raucher per se mehr Spaß am Leben haben als Nichtraucher, ist ebenso unsinnig wie das Vorurteil, dass Raucher dümmer sind, weil sie einer Sucht frönen. Diese Dinge sind nicht verknüpft.

Aber: Am Ende des Tages bleibt Rauchen, auch wenn Zigaretten legal sind, eine Sucht. Für fast jeden Raucher gilt: Er ist nicht so frei, eine Zigarette zu genießen. Sondern sein Körper verlangt nach Nikotin, weshalb er sich früher oder später eine anzünden muss, damit die Entzugserscheinungen wieder abklingen. Manchem mag dies in Zukunft bewusster werden, wenn er zum Rauchen hinaus in die Kälte muss. Das wäre nicht der schlechteste Effekt des Rauchverbots.

PRODUKTE & TIPPS