Carsten Sieling ist erst ganz kurz Regierungschef von Bremen und sorgt schon mit einem eigenwilligen Vorstoß für Schlagzeilen: Der Ministerpräsident will Cannabis freigeben. Die Kriminalisierung von Cannabis sei nicht mehr zeitgemäß, sagte er der "Welt". Sie erzeuge auch hohe Kosten bei der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden. Durch eine Freigabe könne der Staat Geld sparen.
Aus rein monetärer Sicht mag das stimmen. Doch reicht ein gut gefüllter staatlicher Geldbeutel, um eine Freigabe zu begründen? Ist Kiffen wirklich so ungefährlich, wie es gerne dargestellt wird? Ein wenig weißer Rauch, ein süßlicher Duft in der Luft und entspannte Zeitgenossen - kein Grund zur Sorge, oder? Nicht ganz, denn harmlos ist die Tüte nicht. Auf lange Sicht kann sie der Gesundheit massiv schaden. Eine 2014 im "New England Journal of Medicine" erschienene Übersichtsarbeit beleuchtet die Datenlage. Ein Überblick.
Was ist Cannabis?
Cannabis ist eine Pflanze, die zu den Hanfgewächsen zählt, ihr Hauptwirkstoff ist Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Dieses kann im menschlichen Gehirn andocken, dort findet sich für den Wirkstoff ein Rezeptor, was die psychoaktive Wirkung von Cannabis erklärt. Der THC-Gehalt der verschiedenen Hanfsorten ist allerdings sehr unterschiedlich, bei den in Deutschland erlaubterweise gezüchteten Cannabispflanzen liegt er weit unter einem Prozent - und damit vergleichsweise niedrig. Konsumiert wird Cannabis hierzulande am häufigsten in Form von Haschisch oder Marihuana. Haschisch wird aus dem Harz der Blütenstände hergestellt, Marihuana - auch Gras genannt - besteht aus deren zerkleinerten Blättern und Blüten. Haschisch und Marihuana werden meist geraucht, etwa als Joint.
Wie viele Bundesbürger greifen zu Cannabis?
Cannabis ist nach wie vor die am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland, heißt es im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Regierung. Fast jeder Vierte zwischen 18 und 64 Jahren hat bereits Erfahrungen damit. Vor allem unter Jüngeren ist die Droge verbreitet: Seit den 1980er Jahren ist der Konsum bei den 18- bis 24-Jährigen von etwa 15 auf knapp 44 Prozent stark angestiegen - wobei seit etwa zehn Jahren wieder ein Rückgang zu erkennen ist. Bei 0,5 Prozent der Erwachsenen von 18 bis 64 Jahren ist von einer tatsächlichen Abhängigkeit von Cannabis auszugehen, dies sind etwa 250.000 Betroffene.
Macht Cannabis abhängig?
Regelmäßiger Cannabiskonsum kann abhängig machen, das ist mittlerweile gut belegt. Zwar entwickelt nicht jeder, der zum Gras greift, gleich eine Abhängigkeit. Aber vor allem ein früher Konsum und ein Joint täglich, lassen das Risiko dafür deutlich ansteigen. Auch typische Entzugssymptome treten auf - etwa leichte Reizbarkeit, Freudlosigkeit, Schlafstörungen, Appetitmangel und ein heftiges Verlangen nach dem Stoff.
Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?
Das ist umstritten. Zwar liefern epidemiologische Studien den Hinweis, dass der Gebrauch von Marihuana im Jugendalter Abhängigkeiten anderer Art im Erwachsenenalter fördern kann. Tierstudien zeigten auch, dass THC Veränderungen des Belohnungssystems im Gehirn hervorruft - was es wiederum anfälliger für andere Drogen macht. Es könnte aber auch sein, dass Cannabis-Nutzer schlichtweg dadurch, dass sie sich in der Szene bewegen, viel leichter mit härteren Drogen in Kontakt kommen. Der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zufolge steigt nur ein geringer Anteil der Cannabiskonsumenten langfristig auf andere Drogen um.
Schadet es der Gehirnentwicklung?
Unser Gehirn entwickelt sich aktiv bis ins Alter von ungefähr 21 Jahren. Bis dahin ist es auch besonders verletzlich, schädliche Einflüsse, wie der Konsum von Cannabis, hinterlassen Spuren. Die Übersichtsarbeit zeigt: Wer als Jugendlicher regelmäßig Joints geraucht hatte, dessen Nervenzellen waren in manchen Bereichen des Gehirns weniger aktiv - etwa in Regionen, die für Lernen, Gedächtnis oder Selbstkontrolle zuständig sind.
Löst es Psychosen aus?
Mit einem regelmäßigen Konsum von Marihuana geht ein erhöhtes Risiko für Ängste und Depressionen einher. Allerdings wurde bislang lediglich ein Zusammenhang bestätigt, dass Joints die psychischen Probleme tatsächlich auslösen, ist nicht belegt. Ähnlich ist es bei Psychosen, auch hier steht Gras im Verdacht, diese zu begünstigen, besonders bei Personen, die ohnehin schon eine genetisch ungünstige Veranlagung dazu haben. Bei ihnen kann regelmäßiges Kiffen die Krankheit zwei bis sechs Jahre früher ausbrechen lassen.
Schädigt es die Atemwege und die Lunge?
Das ist ziemlich gut belegt. Marihuana-Raucher weisen besonders häufig Anzeichen einer chronischen Bronchitis auf. Dazu zählen Entzündungen der Atemwege, Atemnot und ein verschleimter Husten.