Studie Acht Wochen im Bett für 5000 Euro

Acht Wochen lang haben vier junge Männer stramm in Berliner Klinikbetten gelegen, um die Schwerelosigkeit auf langen Weltraum-Missionen zu simulieren. Jetzt wollen sie nur eins: an die frische Luft!

Die Weltraum-Probanden sind ein wenig blass um die Nase und ihre ersten Schritte auf dürren Beinen wirken unsicher. Doch nun ist alles überstanden: ein großer Testlauf für die Wissenschaft und ein persönliches Abenteuer. Acht Wochen lang haben vier junge Männer stramm in Berliner Klinikbetten gelegen, um die Schwerelosigkeit auf langen Weltraum-Missionen zu simulieren. Nach dem mühsamen Aufstehen am Dienstag haben sie nur einen Wunsch: Nach Hause, zur Freundin, zur Familie - und endlich wieder an die frische Luft.

"Das war verdammte Knochenarbeit"

"Terrestrische Astronauten" haben die Mediziner des Zentrums für Muskel- und Knochenforschung am Berliner Uni-Klinikum Benjamin Franklin ihre Versuchspersonen genannt. In der Wortschöpfung steckt Anerkennung für die Leistung der jungen Männer. "Das war verdammte Knochenarbeit, psychisch wie physisch", sagt Studienleiter Dieter Felsenberg. Proband Thorsten Weber seufzt: "Und ich bin echt froh, wenn morgens um sieben keine Schwester mehr ins Zimmer kommt."

Allen vier kerngesunden Männern zwischen 28 und 35 Jahren sind die Strapazen des Liege-Experiments anzusehen: ständige Untersuchungen, Muskeltraining für zwei von ihnen, fast bewegungslose Bettruhe für die anderen beiden. Auch nachdenklich sind sie geworden. "Meine Achtung vor Astronauten ist gewachsen", sagt der Jurist Uwe Gast. Er weiß jetzt, was es heißt, wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. "Schlimm waren die Anrufe von Freunden, die gerade im Café saßen", berichtet er. Es kam ihm vor, als finde das Leben ohne ihn statt. "Aber aufgeben wollte ich auch nicht."

Das Laufen nach der langen Bettruhe war schwer

"Ich kann mich jetzt besser in schwer kranke Menschen hineinversetzen. In so einer Situation lernt man, das Leben mehr zu schätzen", ergänzt Fahrzeugbauer Marten Strübing. Für ihn war die Trennung von seiner Freundin das Schlimmste am ganzen Experiment. "Ich freue mich riesig auf den Alltag", gesteht er. Das Laufen nach der langen Bettruhe ist ihm nicht leicht gefallen. "Ich habe mich gefühlt, als ob ich zehn Zementsäcke auf dem Kreuz habe."

Doch die Mühe, für die jeder Kandidat 5000 Euro erhielt, hat sich gelohnt: Studienleiter Felsenberg ist von den Ergebnissen des Tests begeistert. "Unser Muskeltrainingsgerät wirkt unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit", resümiert er. Bei einem rund einjährigen Flug zum Mars - geplant in zehn bis fünfzehn Jahren - könne diese Methode das Risiko der Astronauten, sich bei der Rückkunft zur Erde die dünn gewordenen Knochen zu brechen, erheblich verringern.

Die Beobachtungen beim Muskeltraining sollen aber nicht nur Langzeit-Astronauten helfen. Auch Osteoporose- oder Koma-Patienten könnten von den Erkenntnissen profitieren. Für die Mediziner beginnt bald die zweite Staffel des Experiments mit neuen Testpersonen. Alt- Kandidat André Beau kann dazu nur sagen: "Ich würde lieber hier forschen, als zum Mars zu fliegen". Doch bald fährt der 33-Jährige wieder Taxi und erzählt vom bisher größten Abenteuer seines Lebens.

Ulrike von Leszczynski

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