Umfrage Angst vor der Zwei-Klassen-Medizin

Ein halbes Jahr nach der Gesundheitsreform sehen die Deutschen die Zukunft des Gesundheitssystems pessimistisch. Jeder Zweite klagt jetzt schon über schlechtere Versorgung. Und 84 Prozent nehmen an, dass die Kassenbeiträge weiter steigen werden.

Gut ein halbes Jahr nach der jüngsten Gesundheitsreform fühlen sich die meisten Bundesbürger zunehmend schlecht versorgt. Jeder Zweite macht sich außerdem Sorgen über die finanzielle Absicherung im Pflegefall und findet, dass die Krankenhausärzte zu wenig Zeit für die Patienten haben. Das geht aus einem Gesundheitsreport des Instituts für Demoskopie Allensbach und des Finanzdienstleisters MLP und hervor.

Bei der repräsentativen Studie gaben 56 Prozent der rund 1900 Befragten an, dass die Gesundheitsversorgung in den vergangenen zwei, drei Jahren schlechter geworden sei. Nur noch 57 Prozent - sieben Prozentpunkte weniger als zwei Jahre zuvor - glauben im Krankheitsfall ausreichend abgesichert zu sein. Jeder Dritte gesetzlich versicherte beurteilt seinen Versicherungsschutz zumindest in Teilbereichen skeptisch. Die größten Lücken sehen die Befragten bei Zahnbehandlungen (29 Prozent) und Brillen (25 Prozent).

Die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems insgesamt wird von 64 Prozent als "gut" oder "sehr gut" beurteilt - das sind allerdings 18 Prozentpunkte weniger als 1994. Für die Zukunft rechnen 84 Prozent mit weiter steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung und 81 Prozent mit höheren Zuzahlungen für Medikamente. Gut drei Viertel erwarten, dass es immer mehr zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt und dass weitere Reformen auf den Weg gebracht werden. 76 Prozent sind skeptisch, dass die Politik langfristig eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen kann.

53 Prozent meinen: Klinikärzte haben zu wenig Zeit für die Patienten

Die Neuerungen der im April in Kraft getretenen Gesundheitsreform sind der Studie zufolge längst nicht bei allen Bürgern angekommen: Nur fünf Prozent glauben, "ziemlich genau" zu wissen, was es damit auf sich hat, 40 Prozent "ungefähr". Konkrete Änderungen haben bislang 28 Prozent festgestellt, hauptsächlich bei der Medikamentenversorgung. Von ihnen hat jeder Vierte den Eindruck, dass öfter billigere Ersatzpräparate verschrieben werden.

Bei der Pflegeversicherung wissen laut Umfrage nur 19 Prozent, welche Reformen die Koalition im Juni beschlossen hat. Trotz der angekündigten Leistungsverbesserungen machen sich 46 Prozent Sorgen über die finanzielle Versorgung im Pflegefall. Eine private Pflege-Zusatzversicherung haben elf Prozent der Befragten abgeschlossen, weitere 13 Prozent planen es. Bei ihrem letzten Krankenhausaufenthalt waren 91 Prozent mit der medizinischen Versorgung "zufrieden" oder "sehr zufrieden". Doch 53 Prozent fanden, dass die Klinikärzte zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten haben. Mehr als 40 Prozent halten den Angaben zufolge zudem das Pflegepersonal für überlastet und überfordert.

AP
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