Seit sie 2020 den Bachmann-Preis gewann und kurz darauf mit „Vom Aufstehen“ die Bestsellerlisten hinaufkletterte, wird Helga Schubert oft zu abendlichen Lesungen eingeladen. Sie folgt ihnen nur selten, denn: Wer kümmert sich dann um ihren pflegebedürftigen Mann? Sie lebt mit ihm schon fast ein Leben lang, seit mehr als 50 Jahren, und jetzt, am Ende, so eng verbunden wie nie. Ein Gefängnis, in manchen Momenten. Eine innige, dankbare Liebe in vielen anderen. Ihr autobiografischer Roman „Der heutige Tag“ erzählt davon. Wer dieses Buch liest, wird in Zukunft immer auch an Schuberts Sätze denken, wenn es um Demenz, die Liebe im Alter und um Versöhnung mit dem Leben geht.
2020 gewann Helga Schubert den Ingeborg-Bachmann-Preis
Denn wie im Erleben der 83-Jährigen jeder Handgriff, nahezu jeder Alltagsgegenstand zu einem Denkanstoß wird, in dem, resümierend, alles mit allem zusammenhängt, Damals und Jetzt, Wut und Dankbarkeit, Erschöpfung und Neugier, das lässt einen nicht mehr los. Sie habe auch jetzt, als alte Frau, noch richtige Lebensaufgaben zu lösen, schreibt sie: „Es geht nämlich um das Loslassen, das Annehmen, es geht um das Friedenschließen, das Einverstandensein, um das nicht dauernd den andern, sich und das Leben Ändernwollen.“
Aus dieser Aufgabe hat Schubert jetzt eine große Erzählung gemacht. Und ist der Lösung damit, scheint es, außergewöhnlich nahe gekommen: „Das ist übrig nach unseren Jahrzehnten, dachte ich: Hände, die sich aneinander wärmen. Ich gab ihm unter der Decke die Hand und drückte sie. Und er drückte meine Hand. Wie ein Versprechen. In guten und in schlechten Zeiten. Aber es sind gar keine schlechten Zeiten.“