Mit seinen in Hamburg spielenden Kriminalromanen hat sich Boris Meyn schnell eine große Fangemeinde erworben. Auch sein neues Buch spielt in Norddeutschland - und besitzt eine beängstigende aktuelle Brisanz. In "Kontamination" stößt Kommissar Gero Herbst auf eine gefährliche Hinterlassenschaft vergangener Jahrzehnte: radioaktiv verseuchten Boden. Es wird deutlich, wie lange und mit welch schlimmen Folgen Vorfälle mit nuklearem Material nachwirken können. Gerade vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe in Japan stimmt das oft nachdenklich.
Meyn siedelt das Verbrechen diesmal nicht in Hamburg, sondern der nahen Provinz an: In einem Kieswerk wird ein Toter gefunden - auf dem Förderband eines Steineschredders. Einem Maschinenschaden ist es zu verdanken, dass die Leiche nicht zwischen den Kies gebröselt wurde. Kommissar Herbst fehlt zunächst jeder Ansatz. Der Tote war ein alter Mann, ein Heimatforscher, schwer krebskrank. Und voller Verbitterung über den Tod seiner Tochter.
"Kontamination"
Von Boris Meyn
Rowohlt Taschenbuch
Preis: 9,99 Euro
Strahlung und Schweigen
Das Mädchen starb einst an Leukämie - wie auffällig viele Kinder in der Region, in der das Atomkraftwerk Krümmel steht. Eine Bürgerinitiative sieht aber nicht Krümmel als Verursacher, sondern das Forschungszentrum GKSS in Geesthacht. Dort soll vor Jahren bei einem Brand radioaktive Strahlung freigesetzt worden sein, so wird gemunkelt.
Herbst muss feststellen, dass man rasch auf eine Mauer des Schweigens stößt und politische Einflussnahme provoziert, will man mehr über das Thema wissen. Auch ein mysteriöser Bombenangriff in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges scheint Herbst zunehmend bedeutsam. Nach und nach kommt er Geschehnissen auf die Spur, die das von der Bürgerinitiative befürchtete Szenario weit übertreffen.
Sorgfältig recherchierte Fakten
Erneut hat sich Meyn an realen Ereignissen orientiert. Eine Häufung von Blutkrebsfällen in den vergangenen zwei Jahrzehnten beschäftigt die Menschen in der Elbmarsch tatsächlich. Einige Initiativen und Experten bringen die Erkrankungen mit dem Atomkraftwerk Krümmel und der GKSS Geesthacht in Verbindung - was von offizieller Seite stets vehement bestritten wird.
Meyns große Stärke sind - wie schon bei den Büchern zuvor - die detailliert und sorgfältig recherchierten Fakten. Auch wenn so mancher Dialog etwas hölzern wirkt, "Kontamination" ist spannend zu lesen, nicht nur für Krimifans. Es ist reizvoll, einer so intensiv in die Region eingebetteten Geschichte zu folgen.
Boris Meyn hat wissenschaftliche Publikationen zur Hamburger Architektur- und Stadtgeschichte veröffentlicht. Parallel dazu begann der Historiker, Romane zu schreiben. Seine Werke ("Der Tote im Fleet", "Der eiserne Wal", "Die rote Stadt", "Der blaue Tod", "Die Schattenflotte") fanden rasch viele Fans - nicht nur in Hamburg, wo die historischen Kriminalromane spielen.