Kolumne Sanfte Gehirnwäsche für ABC-Schützen

Von Angelika Dehmel
Englands Schulen starten ein Pilotprojekt in Sachen Toleranz - den Politikern ist plötzlich aufgegangen, dass Babys liberales Denken anscheinend doch nicht mit der Muttermilch aufsaugen.

Für britische Vierjährige stehen zukünftig politisch korrekte Märchen mit schwulem Happy End auf dem Lehrplan: Prinz heiratet Prinz. Eine löbliche Idee - aber geht dieser Schritt weit genug? Unsere Gesellschaft hat doch noch mehr Probleme: Rassisten, Klimasünder, Frauen-Diskriminierer - ein Märchen für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen darf da nur der Anfang gewesen sein.

Die Geschichte vom Multikulti-Wittchen

Phantastische Vorlagen mit Umwandlungspotenzial gibt es genug, Grimm und Andersen sei Dank. Man nehme nur einmal Schneewittchen: Schon im Originalmärchen heißt es, die holde Maid sei "weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz". Und schon hat man ein dunkelhäutiges Multikulti-Wittchen im rot-weißem Kleid, das von der bösen weißen Stiefmutter bedroht wird. Der rettende Prinz aus dem fernen Königreich ist natürlich auch Ausländer und die Anti-Rassisten-Fabel ist perfekt.

Außerdem sollten die Alltagsprobleme der heutigen Jugend mehr in die Geschichten integriert werden. Hänsel und Gretel haben eine Stiefmutter? Wie langweilig normal - das muss härter werden! Hänsel und Gretel lieben sich mehr, als sie dürfen, die Scheidung der dauerbetrunkenen Eltern steht kurz bevor, sie fliehen zu der als Hexe verschrienen lieben Oma und leben fortan im Wald vegetarisch von Lebkuchen. Das Problem der vereinsamten Senioren wurde praktischerweise damit auch schon gestreift - es lebe das Mehrgenerationenhaus!

Meerjungfrau als Umweltaktivistin

Fehlt noch der Umweltschutz. Wäre doch schön, wenn Kinder auch das fast im Schlaf lernen würden. Andersens "Kleine Meerjungfrau" liefert dafür die passende Vorlage. In der pädagogisch wertvollen Variante hat sich die Nixe nicht in einen Prinzen verliebt, sondern ist genervt, dass der arrogante Industriellensohn ihren Ozean überfischt und die Korallenriffe zumüllt. Sie geht zum Umweltengel und lässt sich in einen Menschen verwandeln, um ihn aufzuhalten. Am Ende hat sie wieder ihre Flossen und der uneinsichtige Schmutzfink muss in einem Ölfass am Grunde des Ozeans versauern.

Die Zukunft unsere Kinder sieht also verdammt rosig aus. Für jedes gesellschaftliche Problem wird es das passende Märchen geben, mit einer mehr oder weniger subtil hinein gesponnenen Moral. Ob das "Seid-nett-zueinander" jedoch durchdringt, bleibt abzuwarten. Denn eines haben die Briten wohl übersehen: Wenn Freunde oder Eltern tagtäglich über "jobfressende Kanaken" und "anormale Schwuchteln" schimpfen, verblasst eine in der Schule gehörte idyllische Geschichte schnell - und bleibt nur ein Märchen.

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