Die Stimme von Melinda Nadj Abonji zittert am Montagabend, als sie sich bedankt. Gerade hat die 42-Jährige für den autobiografischen Roman "Tauben fliegen auf" den Deutschen Buchpreis erhalten. Erstmals geht damit die Auszeichnung für die beste deutschsprachige Neuerscheinung in die Schweiz. Aber noch viel wichtiger: Zum ersten Mal wird jemand prämiert, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. "Ich bin eine ungarische Serbin, die in der Schweiz lebt und ich liebe die deutsche Sprache genauso wie das Ungarische", sagt Abonji stolz, wenige Minuten nach Verkündigung des Jury-Votums im Frankfurter Römer.
Abonji beschreibt in ihrem Buch die Geschichte einer ungarischen Familie aus der serbischen Vojvodina, die in die Schweiz übersiedelt und sich dort eine Existenz in der Schweizer Gastronomie aufbaut. Mit großem Einfühlungsvermögen zeichne das Buch "das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat", begründete die siebenköpfige Jury ihre überraschende Wahl.
Die Autorin spart in ihrem Buch nichts aus. Es geht um dörfliche Idyllen, aber zugleich auch um den tiefen Morast, in dem nicht nur das Auto beim Besuch in der Heimat versinkt. Aus der Perspektive der Tochter Ildiko erzählt sie auch mit viel Sprachwitz und Humor, wie das Zusammenbrechen des Vielvölkerstaats Jugoslawien die Familien entwurzelt, die zu einem Neuanfang in der Schweiz gezwungen sind.
Für die Migrantin Abonji, die selbst im Alter von fünf Jahren nach Zürich kam, war Sprache immer etwas ganz Besonderes und auch etwas Schmerzliches. Beim Theaterspiel in der Schule musste sie einen Baum spielen, weil sie damals kein Deutsch sprach, hat sie kürzlich bei einer Lesung in Frankfurt berichtet. Umso erstaunlicher ist ihre Sprachgewalt mit einer ganz eigenwilligen Melodie - nicht umsonst tritt Abonji auch als Performerin mit einem "Beatboxer" auf. Und sie ist auch als Musikerin aktiv.