Die Welt steht Kopf. Noch vor wenigen Wochen wäre es undenkbar gewesen, dass unser Leben komplett zum Stillstand kommt. Es herrscht Kontaktverbot und Maskenpflicht. Netflix und Amazon Prime haben wir mittlerweile durchgeschaut, das Joyn-Plus+-Probeabo sowie Sky Ticket machen auch keinen Spaß mehr. Wir schwelgen in Erinnerungen an die Zeit vor Corona, als jeden Tag etwas Spannendes passieren KONNTE. Auch wenn es meistens nicht der Fall war, bestand zumindest die Möglichkeit.
Wer sehnt sich nicht nach einem spontanen Ausflug nach Budapest? Und wenn es sich dort nicht so gut schlendern lässt wie gedacht, könnte man einfach weiterziehen, um etwa in Paris sein Glück zu suchen. Klingt abenteuerlich, oder? Wir könnten sagen: "Heute habe ich was erlebt!" Aber stattdessen sitzen wir zu Hause auf der Couch und versuchen, uns von den Abenteuern anderer berieseln zu lassen.

Jeden Tag etwas erlebt – zumindest beinahe
In die Welt des Beinahe-Erlebens entführt uns der Künstler Ursus Wehrli. Sein neues Buch "Heute habe ich beinahe was erlebt" ist sein "Tagebuch", das er über Jahre hinweg geschrieben hat. Er beschreibt in kurzen oder längeren Einträgen, was er täglich unternommen – und fast erlebt hätte.

Wehrli vermischt surreale Geschichten mit Erzählungen, die sich als wahr ausgeben. Doch wenn er sich mit einer Mandarin sprechenden Katze zum Glas Wein verabredet, merkt auch der gutmütigste Leser, dass es sich hier wohl um eine Fantasie-Episode handeln muss. Wehrlis Leben klingt absurd und lustig, manchmal beinahe glaubwürdig. Das Buch zieht den Leser in eine alternative Realität, Tag für Tag eine neue, und bringt wunderbare Leichtigkeit in eine nicht ganz einfache Zeit.
Wehrli und die Kunst "aufzuräumen"
Ursus Wehrli bleibt auch beim Verfassen seines Tagebuchs ein Künstler. 1969 in der Schweiz geboren, arbeitet er als Kabarettist, bildender Künstler, Fotograf, Komiker und Aktionskünstler. Seit mehr als 30 Jahren performt er mit seiner Kollegin Nadja Sieger unter dem Namen "Ursus & Nadeschkin" auf der Bühne. Sie gehören zu den erfolgreichsten Bühnenkünstlern der Schweiz. Schon bei seinen vorherigen Büchern zum Thema "Kunst aufräumen" schuf er seine eigene Ordnung in den Artworks anderer. Er zeigte die Arbeiten von Künstlern vor und nach seiner akribischen Bearbeitung.

Wehrli ermuntert den Leser, ebenfalls tätig zu werden: Was ist Wahrheit, was Fiktion – und wo liegt die Grenze? Er rät etwa, in der Google-Bildersuche die Nummer 241543903 einzugeben, um Bilder von Menschen zu finden, die ihre Köpfe in Kühlschränke stecken. Was denken Sie – Wahrheit oder Fiktion?