Baby Blues: Mama ist die Beste
Für fast alle Paare ändert sich von einem Moment zum anderen ALLES - bei der Geburt ihrer Kinder. Auf einmal sitzt da ein kleiner Fremder mit in der eigenen Wohnung, der quakt, gefüttert werden möchte und mit lautem Gebrumm die Windeln volldonnert. Rick Kirkman und Jerry Scott protokollieren bereits seit Jahren die Abenteuer der fiktiven US-Familie MacPherson mit ihren beiden Kindern Susi und Hammie. Täglich erscheint ein neuer Comic-Strip, in dem die Familiengeschichte in drei, vier Bildern wieder ein klein wenig fortgeschrieben wird.
Dem Autoren- und Zeichnerteam glückt das Unglaubliche. Ihm gelingt es, die heranwachsenden Kinder so geschickt zu observieren, dass jeder Leser sofort aufschreit: Jawoll, genau so ist das auch in Wirklichkeit! Nur ist der schnöde Alltag oft nicht so witzig. Wenn die MacPhersons wieder einmal vor Schlafmangel fast ins Delirium fallen, wenn Tochter Susi mal wieder völlig irre Einfälle hat oder wenn Sohn Hammie nur noch für seine Autos lebt, dann ist das authentisch und zugleich ein Lehr- und Warnbuch für alle werdenden Eltern.
Wer einmal mit dem Lesen begonnen hat, kann nicht mehr aufhören. Umso mehr muss der deutsche Achterbahn-Verlag gelobt werden, der die Comicstrips von "Baby Blues" perfekt übersetzt und dann auch noch in Farbe in einem großformatigen Buch auf Glanzpapier anbietet. Sechs Tagesstrips passen dabei auf eine Doppelseite.
"Mama ist die Beste" ist bereits das siebte Sammelbuch der Comicstrips, die in Deutschland leider nur in wenigen Lokalzeitungen abgedruckt werden. Man muss die ersten sechs Bücher nicht gelesen haben, um das siebte zu verstehen: Es geht um den alltäglichen Horror mit zwei heranwachsenden Kindern. Wer wissen möchte, wie diese Kinder ihre ersten Jahre auf der Cartoon-Erde hinter sich gebracht haben, kann die alten Bände auch noch nachbestellen. Zeichner: Kirkman & Scott
Verlag: Achterbahn
Web: www.achterbahn.de
Seiten: 128
Preis: 10 Euro
Shit Happens! 2
Manchmal geht einfach alles schief. Dann klemmt man sich den Hintern in der Klobrille ein, versinkt in einer vermeintlich flachen Pfütze oder verschickt eine polemische Mail genau an denjenigen, über den man im Text gerade abgelästert hat. Genau für diese magischen Tiefpunkte im Leben spendiert Cartoonist Ralph Ruthe sein Tröstbuch. Nachdem das erste Buch ein absoluter Überraschungserfolg war, durfte es nicht lange dauern, bis das zweite Buch auf Kiel gelegt wurde. Es enthält mit knapp hundert Cartoons noch einige lustige Bildergeschichten mehr als das Debüt. Wie der Erstling, so kommt auch die Fortsetzung mit einem kleinen Gimmick daher. Dieses Mal gibt es kein Pflaster, sondern "echte" Einschusslöcher in den Ohren des Titelbild-Koalabären.
Ruthe, Jahrgang 1972 und als Zeichner des Chaosmagazins MAD bekannt geworden, bietet in "Shit Happens" lauter bunte 1-Bild-Cartoons an, die aufzeigen, dass es anderen Leuten noch viel schlechter geht als einem selbst.
Da beklagen sich die frisch im Garten vergrabenen Hamster: "Totstellen! Echt ne super Masche, um aus dem Käfig zu entkommen". Und Klein-Frankenstein ärgert Pinocchio im Buddelkasten: "Mein Papa sagt, du bist gar kein richtiger Junge". Skurril und fast surreal wird es, wenn ein Papagei zum anderen sagt: "Schatz, rede doch mit mir." Und der antwortet: "Erst will Schatz Keks".
Das ist freilich ein Humor, der ein gewisses subversives Wesen voraussetzt, bei dem ein infantiler Humor und die Freude an intelligenten Sprach- und Wortwitzen um die Vorherrschaft ringen.
Ruthes großer Vorteil ist zugleich auch sein größter Nachteil: Seine Bildergeschichten lesen sich weg wie nichts. Damit das schöne Buch nicht gleich ausgelesen ist, hat man bei B&L die Bilder verkleinert, sodass manchmal bis zu vier Bilderwitze auf eine Seite passen. Ein gelungener Schachzug. Zeichner: Ralph Ruthe
Verlag: B&L
Web: www.ruthe.de
Seiten: 64
Preis: 10 Euro
Mosaik: Die Digedags und der Seedrachen
Im geteilten Deutschland gab es auch eine geteilte Comicszene. Im Westen brachte Rolf Kauka sein "Fix und Foxi" an die Kioske. Im Osten erschienen die Mosaik-Comics von Hannes Hegen. Die sehr anspruchsvollen und auch recht witzigen Geschichten von Hannes Hegen über die so genannten Digedags wurden zum Glück nicht nach der Wende abgewickelt, sondern mit viel Liebe weiter veröffentlicht. Passend zum 50. Geburtstag der Digedags und zum 80. Geburtstag von Hannes Hegen bietet der Buchverlag Junge Welt ein ganz besonderes Geschenk an: Die legendäre Amerika-Serie der Digedags liegt seit März erstmals komplett im Hardcover vor. Die 60 Bände der Comicserie wurden dabei zu 15 dicken Büchern zusammengefasst.
Die Digedags reisen im Jahr 1860 durch ganz Amerika, um einer interessanten Geschichte nachzuspüren. Dabei wandeln sie auf den Spuren der Geschichte. Sie kämpfen gegen die Sklaverei und lassen sich von Häuptling Rote Wolke vom Tod der Tolteken erzählen. Auch der amerikanische Bürgerkrieg steht mit auf dem Programm. Viel mehr als die "westlichen" Comics kommen die Digedags ihrem Bildungsauftrag nach und bringen den Kindern und Jugendlichen beim Lesen auch gleich noch die Fakten bei, die im Schulunterricht gerne unterschlagen werden. Dabei sprechen die Bücher durchaus die Neugierde der jungen Leser an. Die lernen schließlich gerne etwas hinzu.
Die Zeichnungen selbst sind unvergleichbar und ganz im typischen Hannes-Hegen-Stil gezeichnet. Der verzichtet auch darauf, seine Bilder mit Sprechblasen zu verunzieren. So landen alle Texte direkt unter den Bildern, was ungewöhnlich ist. Als Leser gewöhnt man sich aber schnell an diese Form der Darstellung. Klarer Fall: Die Bände der Amerika-Reihe sind zusammengenommen nicht eben preiswert. Intelligente Kids können sich aber tagelang mit den Büchern beschäftigen.
Zeichner: Hannes Hegen
Verlag: Buchverlag Junge Welt
Web: www.digedags.de
Seiten: 100
Preis: je 12,95 Euro
Kylion 1
Im Mai 2004 startete in Italien die sehr aufwändig gezeichnete Comicserie "Kylion". Dabei handelt es sich im Grund genommen um eine Science-Fiction-Variante der Pro-7-Fernsehserie "Lost".
Im Jahr 2582 verlassen 50 Raumschiffe den übervölkerten Mars, um in den Tiefen des Alls nach neuen Planeten zu suchen, die es dem Menschen erlauben, sich dort als Kolonisten niederzulassen. Der Clou: Die Besatzung reift erst an Bord vom Baby zum Erwachsenen. Im Schlaf lernt die Crew während des Fluges alles, was sie wissen muss. Beim Raumschiff Colony 6 geht allerdings etwas schief. Bei einer Havarie in einem Asteroidensturm wird das Raumschiff schwer beschädigt und muss auf einem völlig fremden Planeten abseits der ursprünglichen Route notlanden. Die Besatzung wird geweckt - 20 Jahre vor der Zeit. Kein Wunder, dass es sich bei der Crew nurmehr um pubertierende Teenager handelt, die noch längst nicht auf dem Zenit ihres Wissens angekommen sind.
Im Oktober hat Ehapa die Serie "Kylion" als Monatsmagazin gestartet. Anscheinend nicht mit ausreichend großem Erfolg, denn jetzt werden die ersten beiden Hefte noch einmal neu aufgelegt - als dickes Paperback, das Lesestoff satt für wenig Geld anbietet.
Das Disney-Team Francesco Artibani und Giulio De Vita hat sich das dramatische Science-Fiction-Abenteuer ausgedacht - und es auch zu Papier gebracht. Wunderschön bunte und sehr detaillierte Zeichnungen sorgen dafür, dass man als Leser gerne den fantastischen Abenteuern der sechs Crew-Mitgliedern folgt. Wie die Gruppe sich immer wieder heillos zerstreitet, um dann im Moment der Gefahr wieder zusammenzufinden, das hat schon etwas.
Nach über 130 Seiten steht jedenfalls fest, dass der Planet Kylion einige Geheimnisse hütet, die noch auf Monate hinaus für Spannung sorgen werden. Ein irrer Spaß, der hoffentlich in der Buchform weitergeführt wird. Zeichner: Artibani / De Vita
Verlag: Ehapa
Web: www.vgs.de
Seiten: 134
Preis: 6,50 Euro Carsten Scheibe, Redaktionsbüro Typemania