»101 REYKJAVIK« Von einem, der nicht zu Potte kommt

Bis mittags im Bett liegen, abends ins Koma trinken, bei Mutti wohnen - »101 Reykjavik« zeigt die isländische Variante des ewigen Nesthockers.

Hlynur lebt von Sozialhilfe, Bier und Internet, wohnt bei seiner erztoleranten Mutter (»Weihnachten kiffen wir aber nicht«) und sieht emotionslos zu, wie die Zeit im kalten Reykjavik vergeht. Er ist Anfang dreißig, zu faul für die Liebe und zu träge für das Leben. Schade, klagt er, dass es morgens keine Pornos im Fernsehen gibt: »Es ist leichter, den Rest auf die Beine zu kriegen, wenn er schon mal steht.« Dass die wunderhübsche Hofi in ihn verliebt ist, erleichtert ihm - wenn es hochkommt - das Sexualleben. Nur Hlynurs Nächte haben ein klares Ziel: sich in irgendeiner Bar zügig unter den Tisch zu trinken.

Erst als seine Mutter sich in die spanische Flamencolehrerin Lola verliebt und Hlynur mit der Spanierin im Bett landet, kommt er aus dem Trott. Lola (Victoria Abril) hat all das, was Hlynur fehlt - von Temperament bis Lebensplanung. Als die Mutter ihm eröffnet, dass Lola ein Kind erwartet und die beiden Frauen es gemeinsam aufziehen wollen, entgleist der Bummelzug Hlynur endlich mit Krawumm.

Die Dreieckskomödie »101 Reykjavik« zeichnet das liebevolle Porträt einer ziellosen Jugend, die es sich in einem eisigen Winkel dieser Erde nett und warm eingerichtet hat. Immer wenn es moralisch oder melodramatisch zu werden droht, kriegt Regisseur Baltasar Kormárkur lakonisch die Kurve. Vorlage für den Film ist das gleichnamige und ebenfalls vergnügliche Buch von Hallgrimur Helgason, das Ende Juli bei Klett-Cotta erscheint. Schließlich bietet »101 Reykjavik« auch den Musikfans noch etwas: Der Soundtrack stammt von Damon Albarn, dem Sänger der Britpop-Band Blur, und Eimar Ørn, dem Exleader der isländischen Sugarcubes.

Peter Pursche

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