»FICKENDE FISCHE« Von erster Liebe und Aids

»Fickende Fische« erzählt eine poetische und traurige Liebesgeschichte zwischen dem HIV-positiven Jan und der temperamentvollen Nina, durch Jan Freude am Leben erlernt.

Haben Fische Sex? Die Frage steht für viele andere in Almut Gettos erstem Spielfilm »Fickende Fische«, stellvertretend für die Ungewissheiten im Leben zweier jugendlicher Außenseiter. Jan ist 16 und hat Aids. Nina lebt in einer zerrütteten Familie. Sie ist wild, unangepasst und das erste Mädchen, in das sich der behütete Jan verliebt. Was die erste Liebe mit einem 16-Jährigen macht, der noch mehr Angst vor Berührung haben muss als seine verunsicherten Altergenossen, davon erzählt Almut Gettos Film einfühlsam und realistisch.

Mit Tino Mewes und Sophie Rogall hat sie für diese problematische Liebesgeschichte zwei überzeugende Hauptdarsteller gefunden. Jan ist verschlossen und gehemmt, weil die Krankheit sein Leben einschränkt. Dass er um einen wesentlichen Teil seines Lebens betrogen wurde, realisiert er, als er sich in Nina verliebt hat. Im pubertären Aufruhr kann man sich von den Eltern, nicht aber vom Virus befreien.

An den Wänden von Jans Zimmer klebt noch die Kindertapete. Mit Nina streicht er sie blau. Die Farbe Blau bedeutet Befreiung - von der entmündigenden elterlichen Fürsorge, von den Tablettencocktails und der stabilisierenden Gesund-Kost. Und sie symbolisiert Schwerelosigkeit, denn Blau ist die Farbe des Wassers. Jan möchte ein Fisch im Wasser sein, wie sein Goldfisch im Glas oder die Fische im Aquarium, wo er und Nina eine Nacht kampieren wollen. Ein Wachmann entdeckt sie, und nach Jans Warnung »Ich habe Aids, und wenn es sein muss, beiße ich!« lässt er sie laufen.

Nina hält das für einen erstaunlich coolen Einfall ihres sonst so scheuen Freundes. Sie hat noch keine Ahnung vom bitteren Ernst der Situation, und er wird sich lieber zurück ziehen, als ihr von der Krankheit erzählen. Einem Mädchen seine Verliebtheit mitzuteilen, ist schon schwer genug; dazu noch die Eröffnung »Ich habe Aids« - das ist für einen 16-Jährigen kaum zu bewältigen. Sarkastisch spielt Jan alle möglichen und unmöglichen Formulierungen mit seinem Großvater durch.

Einen glaubwürdigen Text für die Konflikte dieses außergewöhnlichen Jugenddramas zu finden, ist auch für Filmemacher eine Herausforderung. Almut Getto erzählt ihre Geschichte in einer unsentimentalen Sprache, die umso präziser die Gefühle und die Verzweiflung ihrer Protagonisten vermittelt. Das Leben mit Aids muss nicht wortreich verhandelt werden, wenn sich Jans Vater die unterdrückte Wut im Keller an einem Sandsack aus dem Leibe boxt. Wenn die immer gefasste Mutter die Körner-Bratlinge durch die klinisch saubere Küche feuert, weil der Sohn hitzig nach etwas Deftigen verlangt.

Nur im Wasser schwindet der Druck. Im Baggersee können sich Jan und Nina treiben lassen. Losgelöst von allen Konflikten, tauchen sie wie die Fische durch den See, glücklich wie in einer surrealen Traumsequenz: ein Liebespaar in seinem Element. Auch wenn der Virus diese Teenagerliebe belastet, steht doch die Lovestory mit ihren Eroberungskämpfen und quälender Eifersucht im Vordergrund. Die Frage, ob Fische ficken, bleibt ungeklärt. Es gibt keine Antworten in diesem Film, keine Lösungen, keine Kompromisse. Was keineswegs bedeutet, dass sich Almut Getto mit einem offenen Ende aus der Hoffnungslosigkeit herausgemogelt hat. Sie beendet sie mit einem radikalen Happy End.

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