"Kleinruppin Forever" Ein Wessi im Osten

Die DDR-Komödie "Kleinruppin Forever" konfrontiert einen schnöseligen Wessi mit dem Ostalltag und greift dazu auf das "Doppelte Lottchen"-Motiv zurück.

Wunderbar eigentlich, dass die gewesene Teilung Deutschlands auch aus komödiantischer Perspektive betrachtet wird und nicht nur als Stoff für Dramen herhalten muss. Nach "Sonnenallee" und "Good Bye Lenin" kommt nun mit "Kleinruppin Forever" die dritte Ost-West-Komödie in die Kinos.

Der 19-jährige Tim, ein reiches Jüngelchen aus Bremen, trifft auf einer Klassenfahrt nach drüben unvermittelt auf seinen bis dato unbekannten Zwillingsbruder Ronnie. Dieser, schnell von Begriff, schlägt ihn nieder und flüchtet mit dem Schulbus Richtung Westen. Der Wessi-Popper dagegen muss gucken, wie er mit Broiler, Stasi, und dem grauen Dasein eines Werktätigen zurecht kommt.

Die meiste Zeit erinnert diese Komödie zumindest den West-Zuschauer an einen gespielten Witz, der vor der Wende über die DDR kursierte. Wird einer vom Teufel geholt und hat die Wahl zwischen West- und Osthölle. Ersteres zieht er zunächst vor, doch als er sieht, dass im Westen im Akkord gefoltert wird, im Osten dagegen die Hilfsteufel mangels Hammer, Zangen und sonstiger Folterinstrumente Skat kloppend und Bier trinkend herumsitzen, revidiert er seine Entscheidung.

Statusfreies Low-Budget-Dasein

Ähnlich ergeht es Tim, der zwar in einer heruntergekommenen Fabrik malochen und bei seinem Onkel in der Datsche hausen muss. Auch die Verpflegung lässt zu wünschen übrig, und den urigen Deutschrock seiner Kumpel, die in einer Band singen, findet der mit Ami-Kultur sozialisierte Wessi grauenhaft. Allerdings hat das statusfreie Low-Budget-Dasein auch Vorteile - nicht nur, weil in der Fabrik dank Materialmangels viele Pausen gemacht werden.

Tim lernt nicht nur richtig saufen, sondern verliebt sich, und selbstbewusste Ostbräute wie Jana können nicht nur ihr Moped selbst reparieren, sondern zicken auch sonst nicht lange herum. Und die Stasi und ihre Spitzel bestehen größtenteils aus Dödeln, die selbst nicht mehr glauben, was sie sagen.

Durchsonntes Bild der Ostjugend

Es war einmal ein Land, in dem war alles kaputt, doch die Menschen hatten ihr Herz am rechten Fleck und keinen Stress: Regisseur Carsten Fiebeler, aus Zwickau gebürtig, erinnert sich am Drehort Wittenberge an das durchsonnte Bild einer Ostjugend im Jahre 1985, die es sich bereits erlauben kann, über die Obrigkeit zu lachen, und die es sich in Nischen gemütlich macht.

Hart, aber herzlich geht es zu in diesem Reservat, und der Schreiberin, die von der ersten Berührung mit dem Osten nur schockierend unfreundliche Verkäufer in Erinnerung behalten hat und die es nicht schaffte, die zwangsumgetauschten Ostmark zivilisiert auszugeben, erscheinen zumindest die Atmosphäre und die Details dieser Ost-Komödie interessant und stimmig.

Man mag Fiebeler die Klischees über den egoistischen, katzengoldenen Westen, der nur wenige Minuten Filmzeit bekommt, ebenso wenig übelnehmen wie den sympathisierenden Blick zurück - in einer Komödie sind karikaturhafte Zuspitzungen erlaubt.

Immer mehr grobe Ungereimtheiten

Doch Hauptdarsteller Tobias Schenke, Dauergast in deutschen Teeniefilmen, ist zu fade, um seine schwergewichtigen Konflikte glaubhaft zu verkörpern, und das grob gedrechselte Drehbuch hilft ihm nicht weiter. Unbegreiflich etwa, wieso Tim nicht vehementer versucht, die Sachlage aufzuklären. Stattdessen trainiert der einstige Tennis-Nachwuchsstar für einen Schwimmwettbewerb im Westen, um abzuhauen zu können - ein Schlupfloch, das aber, wie Kenner versichern, in der damaligen Realität in der DDR-Provinz nicht existierte. Und wenn immer mehr grobe Ungereimtheiten den Ost-Trip des gewendeten Schnösels säumen, erweist sich Fiebelers anbiedernde Ostalgie immer deutlicher als Witzbremse.

Der Feier dieser Biedermeier-Idylle fehlt es, neben einem smarten Drehbuch, vor allem an ironischer Brechung: Die verheißungsvolle Geschichte versackt in einer heimattümelnden Parallelwelt mit einfältig-humorloser "Simplify your life"-Botschaft. Das Happy End wirkt wie bestellt und erinnert in seiner Konstruiertheit stärker an tröstliche Hollywood’sche Schmonzetten, als es dieser ostalgie-seligen Komödie lieb sein kann.

AP
Birgit Roschy, AP

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema