"The Machinist" Schlaflos im Albtraum

Trevor Reznick kann nicht schlafen - und die Welt um ihn herum verschwört sich gegen ihn. Oder ist alles nur Einbildung? "The Machinist" ist ein finsterer Thriller mit einem beängstigenden Hauptdarsteller.

Der Himmel hat die Farbe der Haut um seine Augen: tiefes Grau. Seine Wangenknochen ragen so weit hervor, dass Insekten bei Regen darunter Schutz suchen könnten. Trevor Reznik hat seit einem Jahr nicht geschlafen. Sagt er. Dass das biologisch nicht möglich ist, weiß jeder. Dennoch glaubt man ihm, wenn man ihn sieht. Die Schlaflosigkeit saugt Trevors Körper aus. Drückt er sein Kreuz durch, zeichnet sich sein Brustkorb wie gemeißelt durch die Haut ab. Seine Freundin Stevie ruft ihm zu: "Wenn Du noch dünner wirst, würdest Du nicht mehr existieren". Doch es ist nicht der Körper, den Trevor zu verlieren glaubt, es ist sein Verstand. Verzweifelt kämpft er gegen den Zusammenbruch seiner kleinen Welt an, enttarnt Verschwörer, ringt mit inneren Dämonen. Ihn dabei zu beobachten, ist trostlos. Doch selten war Trostlosigkeit so spannend wie in "The Machinist".

Sein Leben - graues Grauen

Brad Andersons Thriller ist eine Reise in die Finsternis des Lebens eines Mannes. Maschinist Trevor ist ein erbarmungswürdiges, eigenbrötlerisches Kerlchen, das seine Arbeitstage in einer schmierigen Maschinenfabrik verbringt. Seine einzigen Bezugspersonen sind die Prostituierte Stevie (souverän wie immer: Jennifer Jason Leigh), mit der ihn nicht nur eine "Geschäftsbeziehung", sondern auch eine tiefe Freundschaft verbindet, sowie die Kellnerin Marie (Aitana Sánchez-Gijón), die er jede Nacht um 1.30 Uhr im Flughafen-Café besucht. In seiner dunklen Wohnhöhle gibt er sich Marotten wie Putzanfällen und einer Statistik seines Gewichtsverlust hin, aber eigentlich ist Trevors Alltag mehr Stoffwechsel denn Leben.

Sein vom Warten auf den Schlaf geprägtes Dasein wird plötzlich auf den Kopf gestellt. Durch Unachtsamkeit verursacht Trevor einen Arbeitsunfall, bei dem ein Kollege einen Arm verliert. Ebenfalls in den Unfall verwickelt: der neue Schweißer Ivan (großartig eklig: John Sharian), ein kahlköpfiger, fetter Riese mit einem großen Zeh an der Stelle des linken Daumens. Nur warum scheint ihn außer Trevor in der Fabrik niemand zu sehen? Und wer hängt gelbe Post-It-Zettel mit merkwürdigen Notizen in Trevors Wohnung auf? Zu seinen Schuldgefühlen gesellt sich wachsendes Misstrauen - und bald wird Trevor nur noch getrieben von Verfolgungswahn und dem fanatischen Willen, die Verschwörung gegen ihn aufzudecken. Zumal, da ist er inzwischen sicher, auch die Ursache für seine Schlaflosigkeit mit den mysteriösen Vorgängen zusammenhängt. Er soll Recht behalten - allerdings ganz anders, als er je gedacht hätte.

Der Welt entrückt

Kafka und Dostojewski, Lynch und Cronenberg, dazu noch Alfred Hitchcock - Regisseur Brad Anderson orientiert sich offensichtlich an anerkannten Experten für Verzweiflung, Düsternis und Wahnsinn, aber auch für Hochspannung. "The Machinist" ist Thriller und Drama, faszinierendes Rätselspiel und bedrückende Schuld-und-Sühne-Abhandlung zugleich. Anderson bringt das clevere Drehbuch von Scott Korsar in atmosphärisch dichten Bildern auf die Leinwand. Der Zuschauer ist strikt an Trevors Perspektive gebunden, nimmt an seinen Erfahrungen teil, erfährt aber nichts darüber hinaus. Sprache und Lebensstil der Charaktere sind amerikanisch, die Stadt, in der sie leben, ist es aber offensichtlich nicht (gedreht wurde in Spanien) und wird auch nicht benannt. Ebenso Trevors Arbeitsplatz: Die Fabrik ist voller echt wirkender Maschinen – doch was dort gebaut wird, bleibt ein Geheimnis. So wirkt Trevors Welt realistisch und doch der Realität entrückt - und dadurch ebenso faszinierend wie bedrückend.

Method Acting am Rande der Magersucht

Die Maschine, ohne die der Film gar nicht liefe, ist Christian Bale. 30 Kilo nahm der Waliser für die Rolle des Trevor Reznick ab. In "American Psycho" und "Die Herrschaft des Feuers" hatte der 30-Jährige einen statuenhaften Modellkörper gezeigt, von dem in "The Machinist" nichts mehr übrig ist. Bale ist so dünn, dass neben ihm Tom Hanks in "Verschollen" wie ein Fettsack wirkt. Bale sieht so elend aus, dass man ihn zur Erholung sogar mit Jim Caviezel in "Die Passion Christi" tauschen lassen möchte. Doch neben dem beängstigenden Körpereinsatz spielt Bale seine Rolle mit einer präzisen Intensität, die ihn problemlos die Last des gesamten Films auf seinen skelettartigen Schultern tragen lässt.

"Wenn Du noch dünner wirst, würdest Du nicht mehr existieren", pflegen Trevors Freundinnen zu sagen. Selbst wenn er vor unseren Augen verschwindet – das Bild von Trevor Reznik bleibt noch lange im Kopf.

Ralf Sander

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