Da steht er nun also auf der Bühne bei einer Schulaufführung. Mit einer Gitarre in der Hand. Und singt das Lied »Killing Me Softly«, das er eigentlich verabscheut. Auch noch mit geschlossenen Augen, was er eigentlich verachtet. Will tut es für den 12-jährigen Marcus, der gerade im Begriff war, sich mit der gleichen Darbietung auf ewig vor seinen Mitschülern zu blamieren. Doch nun wird statt seiner Will vom Publikum ausgepfiffen. Es ist der wohl peinlichste Auftritt seines Lebens. Und sein größter.
Will ist Ende 30, aus Überzeugung Single und im Grunde ein Arschloch. Er wohnt in einem schicken Londoner Apartment und hat die Fähigkeit, nichts zu tun und dabei unglaublich cool zu wirken. Er lebt von den Tantiemen, die ein von seinem Vater geschriebenes Weihnachtslied abwirft, und gibt sie für Designerklamotten und Restaurants aus. Sein Leben verläuft in 30-Minuten-Einheiten - so lange, wie seine Lieblingsserie im Fernsehen dauert oder ein Frisörbesuch, und auch seine wechselnden Dates halten nur unwesentlich länger.
Wills Strategie, um Frauen aufzureißen: Er behauptet, Vater eines Sohnes zu sein, und besucht eine Selbsthilfegruppe für alleinerziehende Eltern. So lernt er eben jenen Marcus kennen, eine sensible Nervensäge in selbstgestrickten Pullovern. Marcus muss sich um seine depressive Hippie-Mutter kümmern, ist schlecht in der Schule, sucht einen Vater. Und findet, ausgerechnet, Will.
Den spielt, natürlich, Hugh Grant - der einzige Über-Vierzigjährige, der über so viel Welpencharme verfügt, dass mit dem Filmtitel »About A Boy« ohne Zweifel auch er selbst gemeint ist. Diese hinreißende Komödie aus England, liebevoll inszeniert vom Brüderpaar Chris und Paul Weitz, ist nach »Fever Pitch« und »High Fidelity« die dritte und beste Verfilmung eines Romans von Nick Hornby, dem Meister in der Beschreibung männlicher Kindsköpfe. Der Held - typisch Hornby - ein bindungsunwilliger Snob. Und dessen Darsteller - typisch Grant - ein Virtuose in Selbstironie und gewinnender Koketterie.
»Diese ganze Oberflächlichkeit von Will«, so bekennt er zum Beispiel, »kenne ich nur zu gut.« Ein »Profi im Nichtstun« sei er gewesen vor seinem Durchbruch 1994 mit »Vier Hochzeiten und ein Todesfall«. Außerdem in »Beziehungsdingen immer noch völlig untalentiert«. Und schauspielern habe er für seine Rollen ohnehin nie viel müssen, waren es doch zumeist Seelenverwandte wie der gutaussehende Schwerenöter Will oder der nichtsnutzige Smartie Daniel, der Bridget Jones im gleichnamigen Film das Herz brach.
Bereitwillig witzelt Grant in Interviews über seine Neurosen, seine Eitelkeit und Unreife. Journalisten lieben ihn dafür, weil da endlich mal einer ist, der sich selbst nicht so ernst nimmt. Hugh Grant ist sein bester Verkäufer, ein PR-Genie, dessen Trick die eigene Erniedrigung ist. Und selbst wenn er müde und verkatert zum Gespräch erscheint und zum vielleicht fünften Mal an diesem Morgen erwähnt, wie vollkommen untalentiert er im Grunde sei, so ärgert man sich höchstens darüber, nicht dabei gewesen zu sein, als er sich am Vorabend in Berlin mit den Weitz-Brüdern die »Leber ruinierte«.
»Wenn man als Mann wahrgenommen werden möchte«, klagt Regisseur Chris Weitz, »muss man sich von Hugh fern halten.« Denn der vielbegehrte Single Grant ist einer, der selbst in einem Müllsack noch irgendwie lässig aussehen würde. Einer, der das Frauenerobern zum Beruf gemacht hat. Und der damit genau wie Will der Typ Mann ist, in den man sich garantiert nicht verlieben möchte.
Mit seiner Darstellung in »About A Boy«, heißt es nun in den Kritiken, sei der 41-Jährige erwachsen geworden, irgendwie. Auf jeden Fall wird es Will. Wie er da am Schluss nach seinem erbärmlichen Gesinge neben dem kleinen Jungen auf der Schulbühne steht, mit ruiniertem Image und großem Herzen. Man könnte heulen vor Rührung. Und sich sofort in ihn verlieben.
Bianca Lang