Cannes-Tagebuch Deutscher Tag in Cannes

Es ist kühl geworden an der Cote d'Azur. Regen aus einem grauen Himmel. Beste Gelegenheit, um heute mal über unsere Landsleute auf dem Festival zu reden.

Preisfrage: Woran erkannte man bisher die Deutschen in Cannes? Antwort: Sie liefen mit hängenden Schultern durch die Gegend. Grummelten, dass sie wieder von den Leitern des Festivals ignoriert wurden und dass sich ihre Filme international nicht verkaufen lassen.

Und heute: Heute trifft man sie mit einem dicken, glücklichen Grinsen. Im offiziellen Programm laufen vier deutsche Filme: "Don't Come Knocking" von Wim Wenders im Wettbewerb um die Goldene Palme, "Crossing the Bridge" von Fatih Akin außerhalb des Wettbewerbs, "Falscher Bekenner" von Christoph Hochhäusler und "Schläfer" von Benjamin Heisenberg in der renommierten Nebenreihe "Un Certain Regard".

Besonders groß wird der neue Fatih Akin wohl eher nicht

Zudem sind die Filmeinkäufer, die sich hier in Hundertschaften tummeln, ganz wild auf "Made in Germany", nachdem "Der Untergang" (internationales Einspielergebnis bisher: mehr als 80 Millionen US-Dollar), "Good-bye, Lenin", "Gegen die Wand", aber auch kleinere Filme wie "Die Geschichte vom weinenden Kamel" oder "Schulze gets the Blues" selbst im Ausland zahlreiche Besucher lockten. Oder wie es der Geschäftsführer einer deutschen Filmverkaufsfirma gegenüber dem Branchenblatt "The Hollywood Reporter" ausdrückte: "Niemand will das Risiko eingehen, den nächsten großen deutschen Film zu verpassen."

Besonders groß wird der neue Fatih Akin wohl eher nicht. Dafür steckt in seiner Dokumentation der Musikszene seiner Lieblingsstadt Istanbul zwar sehr viel Herzblut, richtig packend ist sie jedoch nur selten. Akins Entscheidung Alexander Hacke, Bassist der Berliner Rock-Avantgardisten "Einstürzende Neubauten", als roten Faden für die Streifzüge durch die türkische Metropole zu wählen, war nicht unbedingt ein kluger Schachzug. Denn Hackes pathetische Kommentare geraten oft unfreiwillig komisch. Und nach rund 90 langen Minuten, glaubt man zu verstehen, warum viele der vorgestellten Bands international keine größere Rolle spielen. Guten Punkrock, Hip Hop oder Schlager mit Lokalkolorit gibt es eben auch aus jeder anderen europäischen Großstadt.

Das etwas andere Kino aus Deutschland

In Cannes, wo „Crossing the Bridge“ in einer Open Air-Vorstellung am Strand neben dem Palais gezeigt wurde, nahm man Akins Werk recht wohlwollend auf. Pure Lebensfreude, sehr informativ, wie ein Liebesbrief, lobten die Kritiker. Andere prophezeiten der Musik-Doku immerhin eine reiche Zukunft im europäischen Fernsehen. Grund zum Feiern hatte Akin auf jeden Fall. Und wirbelte so am Abend im Restaurant des zentral gelegenen Hotels "Splendid" als DJ und brachte selbst seine prominenten Jury-Kollegen Salma Hayek und Javier Bardem ganz schön ins Schwitzen.

Wenig kassenträchtig auch "Falscher Bekenner". Auch wenn der zweite Film des jungen Regisseurs Christoph Hochhäusler immer wieder ähnlich magische Momente aufweist wie schon sein, vor allem in Frankreich gefeierter, Erstling "Milchwald". Hochhäusler erzählt von einem 18-Jährigen, dessen Identität zwischen Schulende und Berufsanfang irgendwo verloren ging, und der sich mit anonymen Briefen selbst diverser Verbrechen beschuldigt. Das etwas andere Kino aus Deutschland und gerade deshalb so wichtig.

Ziemlich wichtig macht sich in mehreren Anzeigen auch die internationale Produktionsschiene von Studio Hamburg. Die Werbung für einen Film über das berühmte Konklave nach dem Tod des ersten Borgia Papstes 1458 wurde einfach fett mit "HABEMUS PAPAM!" überschrieben. Wir haben Meise, würde die Bild-Zeitung dazu wohl sagen.

Matthias Schmidt

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