Filmfest Cannes Das Ende der Ära Indiana Jones

Die Weltpremiere von "Indiana Jones 4" ist das Event in Cannes. 19 Jahre nach dem letzten Abenteuer des peitscheschwingenden Archäologen setzt Harrison Ford den Hut wieder auf. Doch die Rückkehr des Schlangenphobikers ist eine verdammt traurige Angelegenheit.

Die Leinwand ist noch dunkel, doch die Zuschauer klatschen schon. Jemand ruft "Indy", ein anderer singt die Titelmelodie. "Indiana Jones", dessen Abenteuer vor 27 Jahren mit "Jäger des verlorenen Schatzes" ihren Anfang nahmen, gehört uns allen. Doch nun ist er gekommen, um endgültig Abschied zu nehmen - von einer Figur, einem Genre, einer ganzen Welt.

Um es gleich klarzustellen: "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" hält, was die drei Vorgänger versprochen haben und zerschlägt Befürchtungen, dass Harrison Ford zu alt, Steven Spielberg zu reich und George Lucas zu abgedreht sein könnte, um klassische Hollywoodunterhaltung für die ganze Familie abzuliefern. Auch der vierte Teil ist ein großer Spaß, ein Kinoüberraschungsei mit entspanntem Spiel zwischen einem strahlenden Helden und seiner bitterbösen Feindin, spannenden Verfolgungsjagden, tollen Spezialeffekten und all den kleinen Details, die dem Zuschauer das Gefühl geben, selbst etwas entdecken zu können. Trotzdem: Am Ende würde man gerne heulen.

Und Ford tut es auch fast. Beim Interview nach der ersten Vorführung am Nachmittag stehen dem Hollywoodstar Tränen in den Augen: Die vergangenen Tage seien für ihn voll unerwarteter Nostalgie gewesen, sagt er und schluckt. Er scheint selbst ein bisschen verblüfft über die Heftigkeit seiner Emotionen. Cate Blanchett, im Film seine Gegenspielerin, bringt ihn schnell zum Lachen: Als junges Mädchen habe sie Harrison Ford sein wollen. Da das nicht möglich war, wollte sie ihn wenigstens heiraten. Da hat Ford sich auch schon wieder gefangen.

Mit Sonnenbrille zum Atombombentest

Dabei hätte er jedes Recht, sich schluchzend gehen zu lassen. Nur macht das ein Indiana Jones eben nicht, ist er doch ein Held alter Schule. Und wie der ganze Film ist er der Letzte seiner Art. Der spielt übrigens 1957 zu einer Zeit, als die Fronten noch gerade, das Gute amerikanisch und das Böse russisch war, als Jungs Pomade im Haar trugen, und man glaubte, sich bei Atombombentests mit Sonnenbrillen schützen zu können.

Der KGB ist auf der Jagd nach einem Artefakt, besagtem Kristallschädel, dessen Macht noch größer sein soll als die der alles vernichtenden Bombe. Mit einem neckischen CCCP auf dem Rücken baut sich also Irina Spalko (Blanchett im Uma Thurman-"Pulp Fiction"-Look) vor Jones auf und zwingt ihn, bei der Suche zu helfen. Los geht's nach Peru und El Dorado, in den Dschungel und in erstaunlich gut ausgeleuchtete Unterwelten, die für Jahrtausende vergessen waren. Unterwegs trifft Jones natürlich alte Bekannte, aus Freund wird Feind und umgekehrt, und der Held muss sich auch noch mit neuen Menschen in seinem Leben arrangieren. Mehr sei nicht verraten.

Fehlt nur noch "E.T."

Lucas hat erst kürzlich gesagt, dass es Filme wie "Indiana Jones" in Zeiten des digitalen Kinos wohl nicht mehr geben werde. Passenderweise spielt Shia LaBeouf in "Indiana Jones 4" auch eine entscheidende Rolle, der gerade erst in der Digital-Überdosis "Transformers" zu sehen war, der Vorstufe zu "Speedracer".

Mit solchen Filmen hat "Indiana Jones" ungefähr so viel zu tun wie ein Plattenspieler mit einem iPod. Aber wir werden sie vermissen die falschen Spinnenweben, die abstrusen Kampfszenen, die Kalauer und den guten alten Kalten Krieg. Oder wie Spielberg so schön sagte: Mit Lucas zu arbeiten, sei manchmal wie Yoda zuzuhören. Fehlt eigentlich nur noch die Fortsetzung von "E.T.".

PRODUKTE & TIPPS