GRUSELFILM The Others

In dem Schauermärchen »The Others« spielt Nicole Kidman eine hysterische Mutti - und das macht sie unheimlich gut.

Noch vor einem Jahr war sie dieser australische Eiswürfel an der Seite von Tom Cruise. Der plötzlich nach der Trennung vom Superstar-Ehemann schmolz und zum warmen Gefühlstier wurde: die neue Nicole Kidman, gebeutelte Liebende und sooo tapfer!

Nur auf der Leinwand gibt sie weiter die Unberührbare - eine tiefgefrorene, totenblasse Schöne ist sie in »The Others«, dem ersten englischsprachigen Film des 29-jährigen Spaniers Alejandro Amenábar; produziert übrigens vom Ex, daher vielleicht die Kühle. Sie spielt Grace, eine junge Frau, die Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihren beiden Kindern in einem Gemäuer auf der Kanalinsel Jersey lebt. Der Mann scheint verschollen, die Dienerschaft machte sich aus dem Staub am »Tag, an dem Mutti völlig durchdrehte« - so erzählen es die Kinder der neuen Hausdame Mrs. Mills, die eines Morgens mit der stummen Lydia und dem tüteligen Gärtner Tuttle wie aus dem Nichts vor der Tür steht und um Anstellung bittet.

Ja, ein Geheimnis lastet auf dem Haus, natürlich ein schreckliches - wie es sich für einen Gruselfilm gehört. Zu den Standardzutaten des Schauerkinos, das seit »The Sixth Sense« boomt wie kaum zuvor, zählen ebenso knarrende Dielen, quietschende Türen und wabernder Nebel. Und in »The Others« will das Knarren, Quietschen und Wabern gar kein Ende nehmen.

Amenábar stellt eine Grusel-Genre-Regel auf den Kopf: Statt Sonnenlicht ins Haus zu lassen und so das Unheimliche auszusperren, zieht Grace alle Vorhänge zu. Ihre Kinder leiden an einer Sonnenallergie. Wie kleine lichtscheue Vampire bringen sie ihr Leben in ewiger Nacht zu.

Weder Telefon oder Radio noch Strom gibt es. Das Haus ist eine Festung, in die keiner hinein-, aber aus der auch niemand herauskann. Mit klirrendem Schlüsselbund streift Grace durch endlose Flure und verriegelt die Türen - eine von Migräne geplagte, gnadenlos fürsorgliche Mutter, zwanghaft und bigott. In ihr versteinertes Herz lässt sie nur die Jungfrau Maria, und die Kleinen verschreckt sie mit Geschichten von einer Vorhölle für unartige Kinder.

Amenábar schafft altmodische Gänsehaut-Stimmung, ganz ohne die üblichen blutigen Sauereien. Auch als sich »The Others«, die Anderen, regen und der Spuk richtig losgeht samt gespenstischen Erscheinungen wie von Geisterhand gespielten Klavieren und rätselhaftem Möbelrücken im Oberstübchen. Bis das schreckliche Geheimnis endlich offenbar wird und irgendwie im Dauernebel verpufft.

Man wäre schon weggedämmert, gäbe es nicht Nicole. Wie eine hysterische Grace Kelly erscheint sie, Verzweiflung und kalte Angst im Blick - sehr intensiv, sehr verstörend. Die Darstellung brachte ihr jetzt eine Golden-Globe-Nominierung ein. Im wahren Leben mag die Frau noch so warmherzig sein, im Kino bleibt sie unser liebster Eiswürfel.

Anke Kapels

PRODUKTE & TIPPS