Roger Schawinski "Harald Schmidt ist nicht Gott"

Der neue Sat-1-Chef Roger Schawinski, 58, spricht im stern-Interview über Midlife-Crisis, den Mangel an Fernsehstars und potenzielle Schmidt-Nachfolger.

Herr Schawinski, die Wirtschaft will Sieger sehen, schreiben Sie in einem Ihrer Bücher. Sie sind kaum zwei Wochen im Amt und schon ein Verlierer.

Ich sehe mich nicht so. Die Aufmerksamkeit, die Sat 1 im Moment erfährt, hat doch auch viel Positives. Man sieht: Sat 1 ist heiß!

Harald Schmidt hat Sie in seiner Sendung als selbstverliebten Beau verhöhnt, der dummerhafte Bücher schreibt.

Ich bin nicht sicher, dass er sie wirklich gelesen hat.

Er hat sogar daraus vorgelesen.

Es war nur eine Passage.

Das muss Sie schwer getroffen haben.

Ich bin nicht empfindlich. Harald Schmidt wurde engagiert, um Satire zu machen. Warum sollte er bei mir Halt machen? Nur journalistisch kann man darüber streiten, ob es okay ist, wenn man Filmausschnitte von mir beim Rasieren zeigt, aber nicht sagt, dass sie aus einer 29 Jahre alten Verbrauchersendung stammen. Das finde ich nicht so toll.

Sie sind Multimillionär. Warum tun Sie sich das hier eigentlich an?

Geld war nie meine Triebfeder. In meinem Alter ist das Einzige, was einen jung hält, eine neue Leidenschaft. Als das Angebot kam, wusste ich nach zehn Sekunden: Das ist es.

Sie verarbeiten Ihre Midlife-Crisis bei Sat 1?

Nein, ich muss keine Krise bewältigen, ich starte noch mal durch. Meine Generation ist nicht bereit, so schnell abzutreten.

Mit Schmidt haben Sie Ihr Aushängeschild verloren. Was nun, Herr Schawinski?

Natürlich ist sein Abgang ein Verlust. Wie wichtig er uns ist, sehen Sie daran, dass Haim Saban, unser Haupteigentümer, mehrmals persönlich mit ihm gesprochen hat. Aber Schmidt ist nicht Gott, wie eine Zeitung geschrieben hat. Er ist ein exzellenter Entertainer. Wir werden nun eine neue Late-Night-Talkshow mit einem anderen Entertainer machen. Sie soll noch vor Sommer 2004 starten.

Wer wird Nachfolger von Harald Schmidt?

Es geht um den heißesten Sendeplatz im deutschen Fernsehen - jeder, der dort hingeht, wird am Anfang wohl Saures kriegen. Dafür kommen nur ganz wenige prominente und überaus begabte Personen in Betracht. Mit den wichtigsten sprechen wir bereits.

Promis wie Thomas Gottschalk?

Hat der das nicht schon mal gemacht? Ich kann ihnen noch keinen Namen nennen.

Ist auch eine Frau denkbar?

Ich will das nicht ganz ausschließen. In Late-Night-Shows sind Frauen eher die Ausnahme.

Was soll aus Sat 1 werden?

Jeder sieht, wo der Sender Nachholbedarf hat. Am Wochenende gibt es Schwächen. Und auch der Vorabend ist verbesserungswürdig. RTL hat auf diesem Platz mit "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" eine Bank. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.

Ebenfalls eine tägliche Serie?

Für diese Entscheidung ist es noch zu früh. Ich habe ja gerade erst hier angefangen. Sat 1 bleibt auf jeden Fall der Familiensender mit Schwerpunkt auf deutschen Eigenproduktionen.

Werden Sie auch weiter auf teure Event-Filme wie "Das Wunder von Lengede" setzen?

Zwei große Event-Filme sind für nächstes Jahr in Vorbereitung. Ein Film über die Ereignisse um die Berliner Luftbrücke und einer über den Troja-Entdecker Heinrich Schliemann. Ich kenne die Projekte noch nicht. Ein Sender braucht Events, aber er kann nicht allein davon leben. Mindestens so wichtig sind tägliche Sendungen.

Sie sind als Sparkommissar geholt worden, der das chronisch defizitäre Sat 1 in die Gewinnzone führen soll. Angeblich müssen Sie 15 Prozent Rendite schaffen.

Es enttäuscht mich, dass alle denken, ich sei nur zum Kostendrücken gekommen. Ich bin seit sehr langer Zeit der erste Journalist an der Spitze von Sat 1. Mich interessieren Inhalte. Dass sich das Ganze rechnen muss, ist klar. Außerdem wollen wir mehr Zuschauer erreichen. Tatsache ist: Wir liegen in der von der Werbeindustrie umworbenen Zielgruppe bei 11,6 Prozent Marktanteil - da kann man noch zulegen.

Wie soll das gelingen?

Sat 1 braucht neue Highlights und mehr Stars. Es ist meine Aufgabe, sie zu finden.

Kennen Sie sich als Schweizer auf dem deutschen TV-Markt gut genug aus, um Kontakte spielen zu lassen? Ihre Vorgänger waren weit besser verdrahtet.

Freundschaften in der Branche sind ja nicht nur von Vorteil. Ich schulde keinem etwas, muss keinen befreundeten Star oder Produzenten unterbringen. Ich bin unbefangen.

Interview: Johannes Röhrig/ Frank Thomsen

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