Vampire Blut, Erotik, Tod

Ein Dracula-Kongress beleuchtet wieder einmal den Vampir-Kult: Das Düstere, Dunkle, Mächtige ist anziehend - und ein wohltuender Gegenpol zur schönen, heilen Welt.

Der blutrünstige Aberglaube um Vampire beruht schlicht auf Biochemie: «Alle Erscheinungen, auf die man im Vampirismus trifft, lassen sich eins zu eins mit Fäulnisprozessen erklären», sagt der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke. Doch der Mythos, der sich um das Reich der Untoten rankt, verblasst angesichts solch profaner Argumente keineswegs. Blut, Erotik, Tod - diese zentralen Motive schüren seit Jahrzehnten die Leidenschaft vieler Anhänger der Blutsauger. Am Wochenende führt die blutige Spur von Graf Dracula und Co. ins mittelhessische Fernwald: Bei einem Kongress lässt die Dracula-Gesellschaft «Vampire in Realität und Fiktion» aufleben.

Mit Vorträgen,

Lesungen und Diskussionsrunden beleuchten Biologen, Historiker und Theologen verschiedene Facetten der ewig jungen Wesen. «Da geht es um die erfolgreiche Fernsehserie über die Vampirjägerin Buffy genauso wie um Jugendsubkulturen oder ein virtuelles Vampir- Kaufhaus im Internet», kündigt die Präsidentin der deutschen Dracula- Gesellschaft, Ulrike Wyche, an. Betagte Musik und ein Rundtanz unter dem Titel «Blut und Minne» soll die rund 80 Teilnehmer in die Zeit des Vlad Tepes zurückversetzen - des Fürsten, der als Vorbild für den historischen Dracula des Schriftstellers Bram Stoker aus dem Jahr 1897 gilt. Als Höhepunkt des dreitägigen Kongresses steht am Samstagabend der «Ball der Vampire» auf dem Programm: Mit wallenden Kostümen und scharfen Vampirzähnen können Gruselfans bis zum ungeliebten Morgengrauen in die Welt der Untoten eintauchen und den «Mr.» oder die «Mrs. Dracula» wählen.

Die Mischung aus Gefährlichkeit und Erotik fasziniert Wyche an den Blutsaugern. «Das Düstere, Dunkle, Mächtige ist anziehend - und ein wohltuender Gegenpol zur schönen, heilen Welt», sagt die 44-Jährige. Auch für den Frankfurter Mythenforscher und Psychologen Hans Meurer machen gerade die bösen und verführerischen Eigenschaften den Reiz des Vampirs aus: «In diese Figur projizieren wir unsere Ängste, Träume und - meist verbotenen - Sehnsüchte hinein. Es geht darum, auch mal ohne Schuldgefühle böse und unmoralisch zu sein.»

Als um 1730

unverweste Leichen in Europa entdeckt wurden, sei eine regelrechte «Vampir-Hysterie» ausgebrochen, erzählt Wyche. «Da wurde plötzlich fast jedes Grab ausgebuddelt.» Weil den meisten Menschen nicht klar gewesen sei, wie stark Fäulnis den Körper verändern kann, hätten sie den «unschönen Anblick» mit Vampirismus begründet. «Die Leichen waren häufig prall und aufgedunsen, mit vollen Lippen und Nägeln, die gewachsen waren - aber das ist völlig normal.»

Im Web

Die Homepage der Dracula Society

Prompt hätten die Herrscher den Aberglauben verboten, berichtet die Vampir-Expertin. Der Blutsauger sei daher aus der Wissenschaft in die Literatur gewandert, später auch in zahlreiche Filme. Gleich mehrere große «Vampir-Wellen» macht der evangelische Theologe Marco Frenschkowski von der Universität Duisburg aus - nach den ersten Leichenfunden, in der Romantik, beim Erscheinen von Stokers Kultroman und in den vergangenen zwanzig Jahren.

«Die unheimliche

Literatur spielt eher eine Rolle, wenn die Leute Zeit haben», interpretiert Frenschkowski. So seien während des Wirtschaftswunders in den fünfziger Jahren kaum schaurige Geschichten erschienen, erst von den Siebzigern an habe sich der Erfolg eingestellt. Längst habe sich der Vampir von einer Angst besetzten zu einer fast spielerischen Figur gewandelt.

Blut trinken

oder mit Blut unterschreiben - damit habe die Dracula-Gesellschaft «nichts am Hut», erklärt Wyche. Bei den rund 100 Mitgliedern des 1993 in Deutschland gegründeten Verbandes stehe das Interesse an Geschichte und Mythos der Vampire im Vordergrund: «Wir sind alle ganz normal, wir rennen nicht nachts über die Friedhöfe.»

PRODUKTE & TIPPS