Stilkritik Westen-Weib und Rolli-Regent: Die neun verschiedenen Mode-Typen des kalten Sommers

Kalter Sommer mit Rolli
Wann kommt endlich der Sommer? Egal: Der Rolli-Regent trägt eh am liebsten Rolli 
Sommer in Deutschland, das heißt: Rollkragen raus und Weste an. Oder doch die Birkenstocks zum Pulli? Eine Auswahl der wildesten Übergangsmode-Typen. 

Der Rolli-Regent 

Während die meisten Menschen verzweifelt das Gesicht verziehen, wenn die Wetter-App im Juli Regen und Sturm anzeigt, reibt sich der Rolli-Regent die Hände: Zeit für den Rollkragenpulli! Er wusste doch, dass er sein Lieblingsstück noch nicht hinten im Schrank verstecken muss. Das würde er ohnehin nie übers Herz bringen, nicht einmal im Hochsommer. Der Rolli ist immer da, er kann auf ihn zählen wie auf einen besten Freund. Egal wie verrückt das Wetter spielt: Mit Rolli ist er gut angezogen. Elegant, aber nicht altmodisch. Minimalistisch, aber nicht langweilig. Modisch, aber nicht zu sehr. Der Rolli verleiht seinem Träger etwas leicht Erhabenes, Regentenhaftes und dabei Unprätentiöses. Das hofft er zumindest. Und im Café mit Macbook vor sich sieht er bestimmt aus wie ein Schriftsteller. 

Die Sommer-Süchtige 

Kalter Sommer: Blumenkleid
Blumenkleid geht immer: Wozu gibt es Regenschirme? 
© iStock / Getty Images

Wenn der Sommer nicht zu ihr kommt, kommt sie eben zum Sommer. Die Sommer-Süchtige erwartet jeden Sonnenstrahl wie ein von höheren Mächten gegebenes Geschenk. Spielt das Wetter nicht mit, lässt sie sich davon nicht beeindrucken. Der Kalender sagt Sommer, und ihr Kleiderschrank sagt Sommer, also ist jetzt gefälligst Sommer. Auch wenn das Wetter mal wieder meint, alles besser zu wissen. Niemand hat ihm je das Recht gegeben, über ihre Garderobe zu bestimmen. Während es Taubenei-große Hagelkörner regnet, stapft die Sommer-Süchtige mit kämpferischer Miene in goldenen Sandalen, geblümtem Kleid, mit Muschelkette um den Hals und Blumenspange im Haar durch die Stadt. Pfützen sind für sie kein Hindernis, am Meer bekommen die Sandalen schließlich auch mal Wasser ab. Vom Sturm verwuschelte Haare? Das nennt man Beachwaves! Auf die Frage "Ist dir nicht kalt?" kann sie nur müde lächeln. Die Sommer-Süchtige würde sich niemals von Temperaturen davon abhalten lassen, den Sommer zu feiern – die schönste Zeit des Jahres. Notfalls eben nur in ihrer Vorstellung. Wenn Kleider Leute machen, dann können sie auch den Sommer machen.

Der Blumen-Bruder 

Anders als die Sommer-Süchtige ist der Blumen-Bruder nicht der absolute Sommer-Fanatiker. Aber irgendwann hat ihn seine Frau dazu überredet, diese Blumen-Hemden zu kaufen – das mache ihn so "frisch", und Farbe stehe ihm so gut. Das könne er doch mal öfter tragen! Das Ergebnis: Jetzt hat der Blumenbruder jede Menge Blumen-Hemden im Schrank, aber keinen Anlass, sie anzuziehen. Außer im Pauschalurlaub am Pool – und im Sommer. Den muss er nun nutzen, komme, was wolle. Damit er sich nicht blöd fühlt – eigentlich ist er gar nicht so der Blumen-Typ – hat der Blumenbruder beschlossen, sich im Hawaii-Hemden-Look bei Herbstwetter betont unauffällig zu geben. Statt wie die Sommer-Süchtige mit Kriegerinnen-Miene durch Pfützen zu stapfen, schlendert er lässig zur Arbeit. Sollen die Langweiler doch ihre Grautöne tragen, er greift zum Blumenmuster. Das steht ihm sehr gut!

Das Westen-Weib

Übergangskleidung ist für das Westen-Weib überhaupt kein Problem. Wozu gibt es Westen? Sie besitzt die gleiche Weste in fünf verschiedenen Farben. Meistens trägt sie die dunkelblaue, die passt so gut zu den Jeans. Ihr Mann hat auch so eine. Der perfekte Partner-Look. Das findet das Westen-Weib ein bisschen niedlich, auch wenn sie das ungern zugibt. Die Weste trägt sie vor allem, weil sie praktisch ist. Und sie verleiht ihr etwas Sportliches, als wäre sie jederzeit bereit, an der Nordsee walken zu gehen. Soll es mal etwas schicker sein, kann sie die Weste einfach über ein Kleid ziehen. Sie ist damit stets perfekt angezogen. Die Weste ist wie die robustere Schwester des Rollis. Nur dass sie gar nicht erst vorgibt, elegant zu sein. Das ist dem Westen-Weib auch ziemlich egal. Interessiert das Wetter draußen ja auch nicht.

Der Schlappen-Schluffi

Sommer heißt für den Schlappen-Schluffi vor allem eins: Schlappen raus. Bei dem ersten lauen Lüftchen landen wahlweise Birkenstocks oder Adiletten an seinen Füßen. Auch wenn er obenrum Pulli trägt. Ein kühler Luftzug am nackten Fuß – das hat was. Da können die Zehen sich richtig entfalten, mal durchatmen. Dann noch dieser herrlich entspannte Gang, den einem die Schlappen verleihen. Manch einer würde es als schluffig bezeichnen. Er findet, Flanieren trifft es besser. Niemals lässt sich der Schlappen-Schluffi so viel Zeit beim Gehen wie zu den Orten, an den seine Schlappen ihn tragen. Er fühlt sich darin wie in den Urlaub zurückversetzt und zeigt jedem: Ich bin vertrauenerweckend, ich bin harmlos. In Schlappen kann niemand gut kämpfen, davonlaufen oder sich anderweitig sportlich betätigen. Schlappen sind zu nichts als zum Schlappen gemacht. 

Die Schichtenlook-Schwärmerin

Sie ist vielschichtig und handelt stets wohlüberlegt: die Schichtenlook-Schwärmerin. Wann immer möglich lernt sie vom Leben und gibt ihre Weisheiten weiter. "Mach doch Zwiebelprinzip", rät sie gerne, sobald sie jemand im deutschen Sommer nach Modetipps fragt. Die Schichtenlook-Schwärmerin schwört auf den Zwiebelstyle. Sie hält ihn für die beste Erfindung – nach winzig zusammenfaltbaren Einkaufsbeuteln und zu einem Ball geformten Reisehandtüchern. Über einem Top trägt sie meist eine Bluse, darüber einen dünnen Pullover, gefolgt von einer Strick- und einer Jeansjacke. Es stört sie nicht, wenn sie darauf angesprochen wird, ganz im Gegenteil. Mit einer Freude, wie es sonst nur C-Promis im "Playboy" tun, entblättert sie vor Lernwilligen ihre Kleidung. Manch einer amüsiert sich darüber. Und beneidet sie spätestens dann, wenn sie in der Mittagspause in der überraschend scheinenden Sonne liegt – im Top statt im Sweatshirt. 

Der Funktionsjacken-Freak 

Mode? Ist doch nur eine Erfindung des Kapitalismus. Der Funktionsjacken-Freak versteht nicht, warum er sich Gedanken darüber machen sollte, was er für Kleidung trägt. Hauptsache es hält warm und fällt nicht beim ersten Waschen auseinander. So wie seine Funktionsjacke. Er kann gar nicht zählen, wie viele Jahre sie schon in seinem Besitz ist. Sie hat ihn durch die Höhen und Tiefen seines Lebens begleitet – wie sonst nur seine Mutter (und wie deren Funktionsjacke es für sie getan hat). Eigentlich ist ihm egal, ob die Sonne im Sommer scheint oder nicht. Mit solchen Oberflächlichkeiten hält er sich genauso wenig auf wie mit Mode oder der Kleidung anderer Leute. Er liebt es, am Morgen Zeit zu sparen, allseits für alles bereit zu sein und nicht darüber nachdenken zu müssen, wie er dabei aussieht. Auch immer bereit ist jedenfalls eine: seine Funktionsjacke. 

Die Knoten-Koryphäe 

Die Knoten-Koryphäe hat einen simplen Trick für niedrige Temperaturen im Sommer entwickelt: einen über den Schultern verknoteten Pullover. Sie versteht nicht, was daran spießig oder konservativ aussehen soll, es ist einfach nur praktisch. Knoten rein, Pulli an. Also fast. Würde sie ihn tragen wollen, müsste sie den Knoten über dem Ralph-Lauren-Hemd erst auseinander pulen und sich den Pulli dann mühsam über die gestylten Haare ziehen. Aber dazu kommt es meistens nicht. Fakt ist: Sie ist auf alles vorbereitet. Da kann auf dem Golfplatz ein noch so kalter Windstoß kommen. 

Der Sonnenbrillen-Schnösel 

Endlich Sommer, endlich wieder ein offizieller Grund, eine Sonnenbrille zu tragen. Nicht, dass der Sonnenbrillen-Schnösel sie nicht ohnehin meistens auf hätte. Manchmal vergisst er kurz, dass die geliebte Brille seine Augen auch vor Sonneneinstrahlung schützt und freut sich dann darüber. Das ist natürlich nicht der Grund, warum er sie trägt. Deshalb fällt ihm auch nicht auf, dass sie bei 12 Grad und Regen trotz Juli nicht nötig ist. Die Sonnenbrille gibt ihm das Gefühl, etwas zu sein, was er nicht ist: lässig. Er fühlt sich damit wie ein anderer Mensch. Ein bisschen wie ein Hollywood-Star, die tragen auch meistens Sonnenbrillen. Stimmt, sie schützt nicht nur vor Sonne, auch vor Kamerablitzlichtern, fällt ihm ein. Darüber freut er sich auch. Nicht, dass ihn irgendjemand fotografieren würde, aber sollte er mal berühmt werden, ist es praktisch, dass ihm die Sonnenbrille gut steht. Im Restaurant hängt er sie ab Juni in seinen Hemdkragen, auch wenn es draußen stürmt. Wer kann schon wissen, ob er nicht gerade erst aus dem Urlaub gekommen ist.

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