Historisches Grünes Gewölbe Dresden hat königliche Schatzkammer wieder

Das Juwelenzimmer im historischen Grünen Gewölbe in Dresden
Das Juwelenzimmer im historischen Grünen Gewölbe in Dresden
© Sebastian Kahnert / DPA
Elf Monate nach der Weihe der Frauenkirche feiert Dresden die Rekonstruktion des ebenfalls im Krieg zerstörten Historischen Grünen Gewölbes. In dem barocken Prachtbau lagerten einst die Schätze der sächsischen Kurfürsten und Könige.

"Das Auge sieht sich nimmer satt, sagt Salomon in seinen Sprüchen. Ach, dass er Dresden nicht gesehen hat!", schrieb der hessische Leibmedicus Daniel Wilhelm Thriller nach einem Besuch der königlichen Schatzkammer in Dresden im 18. Jahrhundert. 61 Jahre nach dem Untergang im Zweiten Weltkrieg ist das Historische Grüne Gewölbe im Dresdner Schloss nun im alten Glanz wiedererstanden. Unter Verwendung von Originalteilen rekonstruiert präsentiert sich das barocke Schatzkammermuseum des legendären Kurfürst-Königs August der Starke (1670-1733) im Stil von 1733 am Ursprungsort.

Architekten, Bauleute, Handwerker, Restauratoren und Kuratoren haben den acht historischen Räumen in vier Jahren Arbeit die einstige Pracht zurückgegeben. Mit der modernen Präsentation von Meisterwerken aus der königlichen Schatzkammersammlung in der Bel Etage darüber können die Staatlichen Kunstsammlungen nun erstmals seit 1942 alle rund 4000 Stücke aus dem Bestand des weltbekannten Museums zeigen.

Spätbarockes Raumkunstwerk

Der Ausbau der Räume der "Geheimen Verwahrung" zum Schatzmuseum war in den 1720er Jahren ein "Politikum", August der Starke der erste Herrscher, der seinen Reichtum ausstellte. "Er hat verstanden, welche Kraft ein Museum hat", sagt Museumsdirektor Dirk Syndram. Der Monarch schuf ein spätbarockes Raumkunstwerk, in dem auf zahlreichen Konsolen und Tischen frei stehende Objekte mit der festlichen Architektur in einzigartigem Zusammenklang erschienen. "Für das 18. Jahrhundert war diese umfangreiche Öffnung einer Schatzkammer einzigartig."

Die Renaissance der acht Räume sowie die Einrichtung der barocken und der modernen Schatzkammer ließ sich der Freistaat rund 45 Millionen Euro kosten. Fast ein Jahrzehnt haben Restauratoren die meist im Depot verborgenen Exponate geprüft, repariert und poliert. Eintritt wie Austritt der "begehbaren Vitrine" erfolgen durch Schleusen, die der Luft-Reinigung und Sicherheit dienen. "Sie trennen nicht nur zwei Museumswelten, sondern markieren auch Beginn und Ende einer emotionalen Zeitreise", sagt Syndram.

Das "Gold der Ostsee"

Zur Neuinszenierung der Schatzkammer gehören zwei kleinere Räume, die als ästhetische Übergänge den Besuch der ungewohnten barocken Pracht erleichtern sollen. Im Bernsteinkabinett strahlt honiggelb das "Gold der Ostsee" im Halbdunkel und schafft die Verbindung zur Welt des 18. Jahrhunderts. Hinter einer goldverzierten Eisentür beginnt die "dramatische Inszenierung", an der der Fürst zu Lebzeiten Gäste teilhaben ließ.

Das Grüne Gewölbe in Dresden

Das 1723 bis 1729 eingerichtete Grüne Gewölbe ist eine der reichsten Schatzkammern und eines der ältesten Museen Europas. Ihren Namen verdankte die um 1550 entstandene «Geheime Verwahrung» - so der ursprüngliche Name - malachitgrünen Abfärbungen einzelner Bauteile. Sachsen-Kurfürst und Polen-König August der Starke (1670-1733) ließ die tresorartigen Zimmer im Residenzschloss um 1723 von Zwinger-Architekt Matthäus Daniel Pöppelmann zum öffentlichen Schatzkammermuseum ausbauen.

Dort wurden Meisterwerke der Juwelier- und Goldschmiedekunst, herausragende Werke aus Elfenbein, einmalige Steinschnitte und kostbare Bronzestatuetten aufbewahrt. Die Sammlung reicht von seltenen Trinkgefäßen des Mittelalters, verspielten Luxusgegenständen der Renaissance und des Frühbarock bis zu Figuren von Bildhauer Balthasar Permoser, Prunkschalen und Kabinettstücken von Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger. Während andere Sammlungen in Notzeiten eingeschmolzen oder veräußert wurden, überstand das Museum alle Wirren bis zum Zweiten Weltkrieg.

Im Februar 1945 zerstörten Bomben drei der acht Räume. Schon 1942 waren die Kostbarkeiten aus Gold, Edelsteinen, Perlmutt, Bernstein, Perlen oder Korallen ausgelagert worden. Im Mai 1945 beschlagnahmte die Rote Armee auch diese Sammlung und brachte sie nach Moskau. 13 Jahre später kehrte sie zurück. Etwa 100 Stücke fehlen bis heute. Von den rund 4000 Exponaten konnte mangels Platz von 1974 an nur ein Viertel gezeigt werden, der Rest blieb im Depot. Bis zur Schließung 2004 wurden im Interim im Albertinum knapp 20 Millionen Besucher gezählt.

Im Herbst 2004 wurde das Neue Grünen Gewölbe mit 1071 Kunstwerken als moderner Teil der Schatzkammer im Schloss eröffnet, den bisher mehr als 1,5 Millionen Menschen besuchten. Mit der Präsentation von weiteren knapp 3000 Stücken in den rekonstruierten Barockräumen ist die einzigartige Schatzkammersammlung nach 64 Jahren wieder komplett.

August der Starke hatte die sich von Raum zu Raum steigernde Pracht ersonnen: vom Elfenbein über das pure und vergoldete Silber bis zum mit Kunstwerken fast überfüllten Pretiosensaal und - mit optischer Pause - das krönende Juwelenzimmer mit dem "Kronschatz" der Wettiner. Bei der Rekonstruktion haben Inventare, Fotos, Befunde und wenige Dokumente diktiert, wo es lang geht. Die meisten Stücke, die mit speziell entwickelten Systemen auf Konsolen befestigt sind, stehen wie schon vor 300 Jahren frei.

Ein 1,20 Meter hoher und ebenso weit von den Wänden entfernter Handlauf sowie Alarmtechnik garantieren Sicherheit. "Die Objekte sind theoretisch zum Greifen nah." Im Elfenbeinzimmer, dem ersten historischen Raum, trennen nur wenige Zentimeter den Betrachter von filigran gedrechselten und geschnitzten Pokalen aus champagnerfarbenem Elfenbein.

Feuerwerk von Glanz und Gloria

Vom rot getäfelten Weißsilberzimmer mit Resten des Silberschatzes und Kuriosa aus Schneckengehäusen, Nautilusschalen und Straußeneiern über das Silbervergoldete Zimmer mit grünen Schauwänden und Edelmetall-Gefäßen, Goldrubingläsern und -flaschen führt der Weg zum fast überfüllten Pretiosensaal. Das verspiegelte "Cabinet des gemmes" versprüht ein Feuerwerk von Glanz und Gloria. Die rund 400 Konsolen an goldverzierten Wänden borden über vor Gefäßen und Figuren aus Edelstein, Bleikristall sowie Perlmutt. Spiegel vervielfachen das Glitzern und Strahlen. "Hier ist es wie bei Ali Baba zu Haus", sagt Syndram.

Eine theatralische Zensur ist das Wappenzimmer, in dem die Wappen- und Initialschilde an Wandschränken die Zerstörung erkennen lassen. Kaum Spuren des Infernos finden sich im prachtvollsten Raum: dem Juwelenzimmer. Täfelungen, Spiegel, Kapitelle, Türbekrönungen mit Kurhut und Königskrone, Pilaster, Gespränge und Marmorfußboden wurden nach historischen Quellen rekonstruiert. In vier Hightech-Vitrinen liegen Brillant-, Diamantrosenschliff-, Rubin-, Saphir-, Smaragd-, Achat-, Karneol-, Schildpatt- und Topasgarnitur und die "Juwelen der Königin": drei Meter Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide.

Im historischen Bronzen- und modernen Renaissancebronzenzimmer, wo es weder Barrieren noch Berührungsschutz gibt, klingt der Überschwang aus. Dort beginnt die Rückkehr in die "normale" Welt. Der Besuch des Neuen Grünen Gewölbes macht das sinnliche Erlebnis komplett. "Durch beides zusammen kann man das, was wir haben an Schatzkunst, begreifen - das Vergnügen der Kurfürsten beim Betrachten", sagt Syndram.

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