Die Dresdner lassen sich doch immer wieder was Neues einfallen. Nein, diesmal geht es nicht um die Waldschlösschenbrücke, sondern um die beachtlichen Kunstschätze der Stadt. Da diese längst nicht allen bekannt sind, sollen neue Besuchergruppen für die Museen begeistert werden. Aufgrund seiner Affinität zur Musik hatte Dirk Burghardt eine zündende Idee.
R.E.M.-Bildband
Pünktlich zum Tourstart erscheint "Hello". Der Bildband dokumentiert die letzten sechs Jahre der Bandgeschichte von R.E.M. Mal stilisiert grobkörnig schwarz-weiß, dann wieder schnappschussartig und in Farbe nähert sich Fotograf David Belisle seinen Figuren und fängt dabei skurrile wie poetische Momente ein. Man sieht Sänger Michael Stipe auf dem Bidet oder mit Schlafmaske unter der Dusche. Aber auch wie er genüsslich in die Sonne starrt und vorbeifliegende Vögel beobachtet.
"R.E.M. - Hello" - Fotografien von David Belisle - Mit einer Einleitung von Michael Stipe. Ü: Thorsten Wortmann. 192 Seiten, mit 230 farbigen und s/w-Abbildungen. 49,90 EUR. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin, 2008.
Wer eine Karte für das Konzert der amerikanischen Band R.E.M. am 15. Juli in Dresden kauft, bekommt nicht nur eine tolle Live-Show geboten, sondern hat obendrein acht Wochen lang die Möglichkeit, kostenlos eines der Dresdner Museen zu besuchen.
R.E.M.-Sänger Stipe hat Kunst studiert
Für Burghardt, Verwaltungsdirektor der Städtischen Kunstsammlung Dresden (SKD) und Initiator des Projektes war von Anfang an klar, dass dazu am besten eine Band passt, die sich auch für Kunst interessiert. Da bot sich R.E.M. geradezu ideal an: Die Band hatte in Dresden ihren Tourneeauftakt (womit eine gewisse Öffentlichkeit garantiert war) - und Sänger Michael Stipe hat selber Kunst studiert.
Zudem steht Dirk Burghardt schon länger in persönlichem Kontakt mit R.E.M.- Tourmanager Bertis Down. Bereits 2005 lud der SKD-Verwaltungsdirektor die Gruppe zum Besuch der Dresdner Museen ein. Der enge Tourplan stand dagegen. Doch man blieb in Kontakt und im März 2008 bestätigte Down die Teilnahme am Museumsprojekt: "Ja, machen wir!"
R.E.M.-Tourdaten
15.07.2008 Dresden, Elbufer
16.07.2008 Berlin, Waldbühne
18.07.2008 Locarno (CH), Piazza Grande (Moon and Stars)
27.07.2008 Nyon (CH), Festivalgelände, Paleo Festival
17.08.2008 Budapest (HUN), Obudai-Donauinsel (Sziget Festival)
19.08.2008 Stuttgart, Neues Schloss Ehrenhof
20.08.2008 St. Goarshausen, Freilichtbühne Loreley
22.08.2008 Würzburg, Feste Marienberg
17.09.2008 Oberhausen, König-Pilsener-Arena
18.09.2008 Hamburg, Color Line Arena
21.09.2008 Genf (CH), Geneva Arena
23.09.2008 München, Olympiahalle
24.09.2008 Zürich (CH), Hallenstadion
Mit Pop ein jüngeres Publikum erreichen
Von nun an soll in Kooperation mit verschiedenen Bands und der Ostsächsischen Sparkasse das Ziel erreicht werden, "mit der Musik als Mittler, Konzertbesuchern in Museen zu zeigen, wie spannend Kunstpräsentation sein kann, eventuell auch als Alternative zu einem Konzertbesuch." Man könne so auch ein jüngeres Publikum erreichen, so Burghardt.
Ähnlich breit gefächert wie das Oeuvre der Band präsentiert sich die Kunstauswahl in Dresden. Sicher wird die "Alte Meister"-Ausstellung am häufigsten besucht werden. Dabei gäbe es exotische Alternativen wie aserbaidschanische Gegenwarts- oder chinesische Gartenkunst zu bewundern. Die Möglichkeiten in Dresden erstrecken sich von antiken Skulpturen bis hin zu Werken von Neo Rauch oder Georg Baselitz. Einziger Wermutstropfen: Für das historische "Grüne Gewölbe" gilt die Konzertkarte nicht.
10.000 Konzertbesucher werden am Dienstag erwartet. Burghardt hofft, dass 1.000 davon - "wobei 5.000 ideal wären" - ihren Weg in die Ausstellungen finden. Findet die Idee Resonanz, soll das Paket Konzert-Museum künftig regelmäßig angeboten werden. Warum auch nicht, kann man doch in vielen Städten mit einem Konzertticket auch kostenlos die öffentlichen Verkehrsbetriebe nutzen.
Hemmschwelle für den Museumsbesuch senken
Auf die Frage, ob das Projekt nicht dem Versuch gleiche, Fußballfans in die Oper zu locken, widerspricht Burghardt: "Wir sind von der Sache überzeugt, weil wir glauben, dass die Besucher klüger sind, als man gemeinhin denkt". Es gäbe lediglich eine "Hemmschwelle": Viele glauben, Museen seien nur etwas für "sehr kluge Menschen". Dieses Klischee soll in Dresden genau so gebrochen werden, wie Neugierde auf weitere Besuche geweckt werden soll.
So kommt es am Ende vielleicht auch zur erhofften Begegnung zwischen Pop und Hochkultur, zwischen R.E.M.s Michael Stipe und Raffaels schwelgend in den Himmel schauenden Engel. Ähnlich schwärmerisch dürften die Fans in Richtung ihres Helden schauen, wenn dieser "Leaving New York" singt. Aber so schwer ist es vielleicht gar nicht, den Big Apple zu verlassen, wenn man dafür vor einer derartigen schönen Kulisse wie dem Elbufer tausende Fans begeistern kann.
Infos unter www.skd-dresden.de