Es gibt einen einfachen Weg, an Heiligabend auszuprobieren, ob die eigene Familie noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist: Man spiele zum Beispiel die CD "Christmas Around The World" von André Rieu. Dort singt ein Kinderchor aus Nagasaki mit dünnen Stimmchen "Stille Nacht, heilige Nacht" - auf Japanisch. Nun beobachte man aufmerksam die Wirkung von Rieu plus Nagasaki auf die Zuhörer: Verlassen sie augenblicklich unter Bekanntgabe merkwürdiger Entschuldigungen das Wohnzimmer? Herzlichen Glückwunsch! Mit der Verwandtschaft ist alles in Ordnung.
Wir haben für Sie getestet: Welche Musik-CD verdirbt einem das Fest - und welche macht Weihnachten noch schöner?
Tobias Schmitz
Sarah Connor: "Christmas In My Heart"
Stimmungsfaktor: Unerträglich. Eine der ersten Aufgaben der Großen Koalition sollte ein Gesetz sein, dass es Frau Connor verbietet, "Ave Maria" zu schmachten.
Überraschungsfaktor: Bescheiden. Sie singt unter anderem "White Christmas". Das hat außer grob geschätzten 11 589 anderen Künstlern noch niemand gewagt.
Tannenbaumfaktor: Extremer Kitschalarm!
Schnappi: "Schnappi's Winterfest"
Stimmungsfaktor: Sie haben Kinder? Sie haben Nerven wie Stahlträger? Sie hassen alles Besinnliche? Dann geht nix über Schnappi.
Überraschungsfaktor: Hoch! Mensch, das nervt ja überraschend stark!
Tannenbaumfaktor: Eignung für den Heiligen Abend? Null.
"Merry Christmas" - Frohe Weihnachten
Stimmungsfaktor: Klassisch gut. Zwar sind die Aufnahmen von Bach, Buxtehude, Praetorius, Reger und anderen schon älter, aber zeitlose Musik kann sich das leisten.
Überraschungsfaktor: Hoch. Natürlich kommt die Doppel-CD nicht ohne Teile des "Weihnachtsoratoriums" aus. Zusätzlich gibt es aber auch zahlreiche Raritäten.
Tannenbaumfaktor: Sie sehnen sich nach dem Gefühl des Weihnachtsfestes Ihrer Kindheit? Mit Kirchgang, Weihnachtszimmer und dem Vater, der eine Schallplatte auflegt? Hier kriegen Sie es.
Banaroo: "Christmas World"
Stimmungsfaktor: Der Bass macht selbst zum Fest der Liebe "Dumm-dumm-dumm-dumm." Genauso ist die ganze Platte.
Überraschungsfaktor: Null. Wer Banaroo will, bekommt Banaroo. Hat mit Weihnachten allerdings nichts zu tun.
Tannenbaumfaktor: Null. Nur für Atheisten oder die böse Schwiegermutter.
Jane Monheit: "The Season"
Stimmungsfaktor: Kuscheliger, heimeliger, verführerischer Vokaljazz aus Amerika.
Überraschungsfaktor: Wow! Tolle Stimme - und endlich mal nicht das Standardrepertoire.
Tannenbaumfaktor: Zündet die Kerzen an. Frohe Weihnachten!
Paul Carrack: "A Soulful Christmas"
Stimmungsfaktor: Null. Leider. Warum der ehemalige Mike-and-the-Mechanics-Sänger ein Weihnachtsalbum aufnehmen musste, ist rätselhaft. Fehlte Geld für Geschenke?
Überraschungsfaktor: Gering. Er singt auch "White Christmas". Überrascht Sie das?
Tannenbaumfaktor: Ansichtssache. Spielen Sie Carrack als nettes Hintergrundgeräusch oder lassen Sie es bleiben - es kommt in etwa aufs Gleiche raus.
Various Artists: "Snow 3 - The Get Easy! Christmas Collection Vol. III"
Stimmungsfaktor: Sehr cooler Mix aus selten gehörten Weihnachtssongs, unter anderem von Ella Fitzgerald, Dean Martin, den Beach Boys, James Brown oder Gladys Knight.
Überraschungsfaktor: Großartig! Bing Crosby singt nicht "White Christmas", sondern "A Christmas Toast".
Tannenbaumfaktor: Erstaunlich hoch. Diese Zusammenstellung macht 24 Songs lang Spaß.
Diana Krall: "Christmas Songs"
Stimmungsfaktor: Klasse Frau, klasse Jazzarrangements, aber um Lichtjahre schwächer als Kralls letztes Album mit eigenen Songs. Berieselt dennoch effektvoll Ihre exklusive Weihnachtsparty.
Überraschungsfaktor: Mittel. Polierter Jazzpop ohne Nebenwirkungen.
Tannenbaumfaktor: Durchaus vorhanden. Musik, die weder schmutzt noch stört.