An keinem Rapper in Deutschland scheiden sich so die Geister wie an Fler. Seine Interviews werden auf Youtube öfter geklickt als die Musikvideos vieler Künstler in seinem Genre. Das liegt zum einen daran, dass der Berliner Rapper kein Blatt vor den Mund nimmt und immer “straight” sagt, was er denkt. Zum anderen ist der 34-Jährige seit nunmehr 14 Jahren einer der erfolgreichsten Rapper Deutschlands.
Fler, mit Ihrem 13. Album "Vibe" schafften Sie es im September zum ersten Mal in Ihrer Karriere auf Platz 1 der Charts in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Und trotzdem: Wenn die breite Masse von Hip Hop redet, dann fallen eher Namen wie Sido, Cro oder die Fantastischen Vier. Kommt vielleicht keiner klar mit Fler, weil er zu direkt ist?
Das ist der große Konflikt in Deutschland mit der Kunst beziehungsweise der Musikrichtung Rap. Jedes Land hat seinen eigenen Charakter, und der Charakter von Hip Hop steht im völligen Konflikt zur Gesellschaft in Deutschland. Hip Hop steht für: laut sein, kompromisslos sein, ein gewissen Blickwinkel zu vertreten, der rebellisch ist. Hier bei uns gelten Tugenden wie in Reih und Glied zu stehen. Genau da liegt das Problem. Wir Künstler in Deutschland kriegen diesen Freifahrtschein nicht. Das funktioniert in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich viel besser. Da darf ein Künstler so sein, wie er ist. Hier musst du Themen in deiner Musik ansprechen, von denen die allgemeine Meinung nicht abweicht. Das kriegen dann Leute wie Sido besser hin.
Im Januar dieses Jahres haben Sie im Interview mit der "GQ" gesagt, dass die Fantastischen Vier für Sie keine Rapper sind, sondern nur rappen. Das klingt im ersten Moment merkwürdig. Was ist denn aus Flers Sicht ein Rapper?
Es geht gar nicht darum, dass meine Musik härter ist oder dass ich der krassere Typ bin. Vielmehr geht es in der Sache darum, dass ich und viele andere meiner Rapper-Kollegen diese typischen Tugenden des Hip Hops vertreten. Wir sprechen in unserer Musik die Probleme an. Im Gegenzug werden wir dann aber von diesen "Wohlstandsrappern" wie Fanta 4 oder Fettes Brot und deren Fans angefeindet, werden als Prolls abgestempelt und uns wird die Berechtigung abgesprochen. Dabei müssten die uns vielmehr akzeptieren, weil wir Hip Hop sind. Denn wenn ich einen Song mache, dann ist der 100 Prozent Rap. Bei denen ist das 50 Prozent Rap und 50 Prozent Pop und darum geht's. Das müssen die Leute begreifen!
Aber muss man da nicht differenzieren, weil die Musikrichtung Rap bei uns in Deutschland ganz anders entstanden ist? Hier ist Rap mehr Teil der Popkultur als in den USA. Da ist Hip Hop Ende der 70er Jahre in der Bronx auf Partys in Häuserruinen entstanden und deswegen viel rebellischer. Hat Deutschland einfach eine komplett falsche Wahrnehmung von Rap?
Eindeutig. Wenn es schon damit anfängt, dass Hip Hop noch am Anfang durch eben solche Bands wie Fettes Brot Teil der Popkultur war, zeigt es doch, dass wir Straßenrapper seitdem ausgegrenzt und tot geschwiegen wurden. Die Medien und der große Teil der Gesellschaft wollte uns doch gar nicht an der Öffentlichkeit teilhaben lassen. Es war doch auch schon früher so, wo Rapper trotz der richtigen Message in ihrer Musik von den meisten Menschen völlig falsch verstanden wurden.
Sie reden jetzt wahrscheinlich auch von Ihrer Anfangszeit mit dem Plattenlabel Aggro-Berlin mit Sido, Bushido und B-Tight?
Genau, wir haben Rap doch damals nicht mit Absicht cool gemacht, weil wir damit cool oder besonders hart sein wollten. Das ist Fake. Wir haben Rap schon immer so gemacht wie Rap ist. Aber genau das verstehen die Leute hierzulande nicht. Ich nenne mal ein Beispiel: Wenn ich rumfrage, ob Nike-Schuhe oder Birkenstock cooler sind, sagt doch jeder Nike. Das heißt aber nicht, dass sich Birkenstocks nicht verkaufen. Und genauso ist das mit Fettes Brot und Fanta 4 - die sind Birkenstocks. Nur muss man das den Leuten auch noch erklären. Es ist auch keine Rechtfertigung, weil es sich besser verkauft. Andrea Bergs Musik verkauft sich in Deutschland am meisten. Wenn du sie aber unter vier Augen fragen würdest, würde sie dir auch sagen, dass ihre Musik scheiße ist. Aber die breite Masse der Deutschen sind halt grobmotorisch, also nicht cool, und deswegen fühlen sie diese Art von Musik, die ich mache, nicht.
Also ist der Umgang des Mainstreams mit Rap der Falsche. Wird zu sehr drauf geachtet, was in den Texten gerappt wird?
Ja, das ist diese typische heuchlerische Art, die wir in Deutschland haben. Da kommen dann Leute wie Markus Lanz um die Ecke und reden von oben herab. Die nehmen einen in die Mangel, weil man die Probleme der Gesellschaft anspricht. Natürlich sprechen wir sie auf eine andere Art und Weise an, aber der steckt uns doch sofort in die Asi-Schublade. Damit er dieses Thema gar nicht ansprechen muss. Aber er und die ganzen anderen sollten sich mal Gedanken machen, worum es in unserer Musik geht. Die Jugend hört uns doch nicht grundlos zu und fühlt sich von uns angesprochen. Wir werden doch nur akzeptiert in solchen Mainstream-Sendungen, wenn Sido dann mal so einen Song wie "Bilder im Kopf" macht.
Dabei sprechen Sie immer von einer Sache: "Realness". Aber was ist das überhaupt - und wie wichtig ist das für Rap?
Realness heißt: Du rappst über eine Sache, die du verstehst. Wenn ich in meinen Texten etwas von Waffen erzähle, dann muss ich mindestens schon einmal eine Waffe in der Hand gehalten haben. Ich will aber damit nicht sagen, dass das cool ist oder dass ich jetzt so ein krasser Gangster bin. Es geht darum, den Leuten zu verklickern: Das ist meine Welt. Ich komme eben aus so einer Gegend, da sind Waffen und Drogen keine Seltenheit. Und ich habe es geschafft, da in diesen Sumpf nicht reinzugeraten. Ganz im Gegenteil in meinen 14 Jahren, die ich jetzt Musik mache, habe ich es geschafft mir etwas aufzubauen und mich weiterzuentwickeln.
Wenn Sie sagen, dass Sie Ihre Welt in der Musik reflektieren, heißt es ja im Umkehrschluss, dass viel Persönliches drinsteckt. Aber wie viel Patrick Losensky - so Ihr bürgerlicher Name - steckt in Fler und umgekehrt?
Das ist ein und dieselbe Person.
Greift es Sie deswegen auch so persönlich an, wenn ein Jan Böhmermann Witze über Fler macht?
Ich nehme mich sehr ernst und deswegen nehme ich auch andere Leute sehr ernst. Ich verstehe auch nicht, wie man sich beleidigen lassen kann und dann sagt, dass man das nicht ernst nimmt. Natürlich kann ich über mich selber lachen, aber Jan Böhmermann hat keinen geilen Witz gemacht. Er hat mich nicht geil parodiert, sondern er hat versucht mich zu blamieren.
Im November 2015 haben Sie bei Twitter auf Ihre Art reagiert. Sie haben geschrieben: "Jan Böhmermann, ich werde dich finden und dich ficken." Müssen wir uns jetzt Sorgen um ihn machen?
Mit diesem Tweet setze ich ihm und mir keine Frist. Ich werde ihn irgendwann mal sehen, dann habe ich den Luxus zu entscheiden, was ich mit ihm mache. Das hängt dann auch von seinem Verhalten ab, was mit ihm passiert. Ich habe das auch nicht geschrieben, um der Welt etwas zu beweisen, sondern ich mache das mit Ansage. Wenn er sich aber entschuldigt und reden will, dann können wir unser Problem auch so lösen.
Wenn man den Tweet liest, würden man wohl nicht zu dem Schluss kommen, dass Sie ein erfolgreicher Geschäftsmann sind. Sie aber sind nicht nur Rapper, sondern haben mit Maskulin ein eigenes Musik- und Modelabel. Was für ein Typ bin ich, wenn ich Maskulin trage?
Zeitgemäß, cool, fresh und stylisch. Wenn du Maskulin trägst, bist du am Nabel der Zeit.
Mit Ihrem Label sind Sie nicht der einzige Rapper, der gerade in der Modeszene Fuß fasst. Pharrell Williams macht das seit einigen Jahren. Kanye West ist mit seiner "Yeezy Season" bei Adidas extrem erfolgreich. Selbst in Deutschland haben Rapper ihre eigenen Labels, zum Beispiel Cro, Kollegah oder Haftbefehl. Beeinflusst Rap Mode mittlerweile mehr als es andere Musikrichtungen tun?
Es war doch schon immer so. Die größten Marken in Europa oder auch in Amerika sind nur kaputt gegangen, weil die Rapper auf einmal angefangen haben "Gucci" zu tragen. Der Unterschied zu heute ist, dass die Musiker damals keine Business-Männer waren und die Marken nur getragen haben. Und warum setzen wir Trends? Hip Hop ist nun einmal die größte Jugendkultur weltweit.
Auf Facebook haben Sie kürzlich ein Foto gepostet mit der Unterschrift "Xenox 2017", kommt da wieder ein neues Fler-Album auf uns zu?
Nein, das sind sinnlose Post. Ich gucke nur, wie meine Fans reagieren. Es ist nichts Konkretes geplant. Im Februar steht erst einmal meine Tour an. Dann entwerfe ich noch neue Klamotten und dann sehen wir weiter.