Manic Street Preachers Vor lauter Grübeln eingeschlafen

"Es ist das poppigste Album, das wir je gemacht haben", sagen die Manic Street Preachers über "Lifeblood". Doch poppig sein allein reicht nicht: Den neuen Songs fehlt einfach die Frische.

Weiß der Kuckuck warum: Ich mag keine Songs, die wie eine Jahreszahl heißen. Und Songs, die einen Mädchenvornamen tragen, waren mir ebenfalls schon immer suspekt. Beides findet sich auf "Lifeblood", dem neuen Album der Manic Street Preachers. Da wird "1985" ebenso besungen wie eine gewisse "Emily". Doch das ist es nicht, was mich so unendlich müde macht, wenn ich den Walisern zuhöre. Nein, das wahre Drama ist: Sie klingen irgendwie altbacken.

Und ewig grübelt der Waliser

Schon beginnt man, sich selbst alt zu fühlen. Eben war man noch in den Neunzigern und Britpop das große Ding. Die Manics haben mit Songs wie "Everything must go" das Herz gerührt. Und jetzt klingen sie eher wie ein angestaubtes Relikt aus besseren Tagen, das nur noch einen lauen Aufguss zu servieren weiß, der soviel Aroma besitzt wie ein zweimal benutzter Teebeutel. Schade, schade.

Aber vielleicht hat sich die Band irgendwann im Laufe der Jahre einfach zu sehr festgebissen in den melancholischen Grüblertexten, die man an ihr so schätzte. Und das ging zu Lasten der musikalischen Frische. Das Rad der Popgeschichte drehte sich weiter, doch kommen sie einfach nicht mehr hinterher. "When did life get so complicated, when did time start accelerating, make life slower, stop life growing", singt James Dean Breadfield mit gewohnt schwermütiger Stimme. Und man ahnt was. Immer langsam mit den jungen Pferden. Und auch mal ein Nickerchen machen.

Im Abgang eher schal

Ein guter Wein entfaltet sein wahres Aroma erst, wenn er länger reift. Obwohl die Manic Street Preachers älter geworden sind, lassen sie diesen Effekt nicht erkennen: "Lifeblood" bleibt im Abgang eher schal und kratzig. Lediglich "I live to fall asleep" lässt noch einmal Spuren der früheren Grandezza aufblitzen, mit der die Manics zu fesseln wussten. Doch bei Walisern weiß man nie. Das haben sie mit ihrer Heimat gemeinsam: Mag die Landschaft auch oft rauh und kantig sein, sie besitzt doch ihre ganz eigene Magie. Und vielleicht entdecken die Manics Street Preachers genau die eines Tages bei sich wieder und erfinden sich ganz neu? Bis dahin wünsche ich wohl geruht zu haben.

Antje Heidböhmer

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