Popmusik-Superstars können sich in der Regel jeden Luxus leisten - bis auf den Luxus, Musik aufzunehmen, die Gefahr läuft, abseits des kalkulierten Geschmacks eines Massenpublikums zu liegen. US-Rapperin Missy Elliott unterläuft diese Regel seit Jahren konsequent. Trotzdem hat sie weltweit Millionen von ihren selten radiotauglichen CDs verkauft - und Millionen Dollar verdient. Mit ihrem neuen Album "The cookbook" bestätigt sie erneut ihren Status als Ausnahmekünstlerin.
Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch widerspricht Missy Elliott seit der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums "Supa dupa fly" 1997 der vermeintlichen Norm: Während andere weibliche schwarze Stars wie Beyonce Knowles über Modelmaße verfügen, brachte sie stets deutlich zu viele Pfunde auf die Waage. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, sich offensiv in Szene zu setzen: Ähnlich wie ihre oft futuristisch anmutenden Songs, waren die Videoclips dazu von Anfang an stilprägende Spektakel.
Durchdachte Menüfolge
Im Booklet zu "The cookbook" (Das Kochbuch) präsentiert sich die Mittdreißigerin deutlich schlanker als zuvor. Dennoch hat sie die 16 Songs, dem Titel entsprechend, lustvoll als Menü arrangiert: Zwei Stücke sind in dem Büchlein zur CD unter der Überschrift "Starters and Sides" (Vorspeisen und Beilagen) zu finden, fünf unter "Main Course" (Hauptgang). Es folgen etliche Desserts und Getränke - selbst das Abspecken scheint bei der Rapperin nach speziellen Regeln abzulaufen.
Wie schon zuvor fordert Missy Elliott die Hörgewohnheiten ihrer Fans auch auf "The cookbook" ein gutes Stück mehr heraus als andere HipHop-Stars - ohne dabei bemüht zu wirken: Wo Nelly oder 50 Cent oft zu fast gemächlichen Beats rappen, klingt Missys aktuelle Single "Lose control" tatsächlich nach Kontrollverlust, hektisch und düster. Etwas entspannter, aber trotzdem nicht offensichtlich nach Radiohit hört sich ein Duett mit R’n’B-Sängerin Mary J. Blige an.
Widmung für Aaliyah
Ein weiterer Gast auf "The cookbook" ist die junge schwarze Sängerin Ciara, die jüngst in Deutschland mit "1, 2 Step" ihren ersten Hit feierte. Gewidmet ist das Album einer früheren Duettpartnerin, für die Missy mehrere Hits verfasst hat: dem 2001 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen R'n'B-Star Aaliyah.
Nicht nur wegen der prominenten Gäste dürfte auch Missy Elliotts jüngster Streich zum Erfolg werden - in den deutschen, vor allem aber in den häufig für ihre vermeintliche Einförmigkeit gescholtenen US- amerikanischen Charts. Damit würde sich die vor Jahren in der Musikzeitschrift "Spex" gemachte Feststellung bestätigen, Missy könne "mittlerweile offensichtlich tun und lassen was sie will".
Florian Oertel/DPA