Großes Kino vermerkte das Feuilleton, als Mrs. Robinson den rehäugigen Benjamin Braddock betörte und in durchschwitzten Hotelbetten nur die deflorierte Unschuld einer verwirrten Jugend hinterließ. Für Dustin Hoffmann war es der große Durchbruch, für Simon and Garfunkel nur ein weiterer Höhepunkt auf ihrem Weg zur Heiligsprechung.
Die Zeitreise beginnt verhalten
Nach einem Einspielfilm, der die 50-jährige Verbindung der "Old Friends" Revue passieren lässt, erbricht das Bühnenlicht ein ungleiches Paar, das sich nie an allzu großen Gemeinsamkeiten störte. Paul Frederic Simon trägt an diesem Abend restliche Strähnen launig quer verfönt und wirft schelmische Grimassen ins weite Rund. Er trägt Jeans und ein ausgewaschenes oranges T-Shirt, was für einen 62-Jährigen nahezu revoltierend wirkt. An seiner Seite herzt Arthur Ira Garfunkel das Publikum. Sein einst blonder Lockenschopf ist nur noch die schamhafte Erinnerung an den jugendlichen Wildwuchs vergangener Tage. Der ausführlichen Begrüßung folgen spätestens mit "Bookends" und "For Emily, Whenever I May Find Her" die ersten Glanzlichter. Gitarren, die zirpen und wimmern, begleiten Lieder, die in Harmonien ertrinken und dem popfolkloristischen Erbe das Vergessen entsagen.
Stimmenprobleme
"Jetzt kommt ein Song über mein aufgewühltes Heimatland." Als Garfunkel in Deutsch "America" ankündigt, wird auch der letzte Romantiker gewiss, dass er an den einstigen Höhenräuschen seiner Stimme gebricht. Doch während Paul Simon und die tadellose Band für ihr professionelles Spiel geschätzt werden, fliegen dem ehemaligen Chorsänger aus Queens, der in rührender Gestik und mit schlaksigen Bewegungen im Pathos nie peinlich agiert, die Herzen zu. Links und rechts quieken, schreien und zerbrechen Menschen, die sich an die alte Zeiten am Lagerfeuer erinnern und leicht ungläubig gewahr werden, dass auch sie einst jung waren. Damals, als sie Blumen in den Haaren trugen und soviel Liebe machten, dass es schmerzte.
Eine Winternacht
Zwischendurch dürfen die Everly Brothers auf die Bühne, was aber nicht weiter schlimm ist. Die wirklichen Höhepunkte folgen erst. "Scarborough Fair" entblößt hier und da eine unschöne Gänsehaut und als das wehklagende a-Moll von “The Sound of Silence” erklingt, schwelgt ein ganzes Auditorium in vergangenen Zeiten. Es sind die bukolischen Reminiszenzen ("Eine Winternacht, in einem tiefen dunklen Dezember...") an das ewig innerlich Zerrissene ("Hallo Dunkelheit, mein alter Freund..."), die einfachste Emotionen freisetzen. Doch noch bevor das Sentimentale in Wehmut überschlägt, werden fröhliche Tralala-Hymnen wie "I Am A Rock" oder "Cecilia" zum Besten gegeben, die das Publikum zur unrhythmischen Verklatschung animieren.
Als schließlich das unverschämt großartige "Bridge Over Troubled Water" angestimmt wird und selbst Art Garfunkel sein sublimes Timbre wieder entdeckt, erlischt auch der letzte zweifelnde Funke. Dramaturgisch ist das Leiden zur Vollendung gereift, doch ein letztes Mal muss das Elegische dem "Feelin' Groovy" weichen. Tschüss sagen Simon and Garfunkel, tschüss sagt ein restlos befriedetes Publikum, denn ein Wiedersehen, so ahnt man, wird selbst Mrs. Robinson versagt bleiben.