Soul-Diven-Wettstreit Wer ist die neue Königin des weißen Souls?

Von Verena Stöckigt
Während Amy Winehouse noch an der nächsten Crack-Pfeife bastelt, sind ihr neue Soultalente dicht auf den Fersen. Allen voran die britischen Newcomer Duffy und Adele und die deutsch-nepalesische Zascha Moktan. Aber muss Amy Winehouse ihren Thron tatsächlich räumen? Und wenn ja, für wen?

Adele - die Absolventin der britischen Talentschmiede

Ein Blick auf die pausbäckige Adele Adkins, und man weiß: Diese junge Dame hält offensichtlich nichts von Crack- und Kokaindiäten. Ihr Doping ist ein Stück Schokoladentorte pro Tag, und das schmeichelt in Adeles Fall nicht nur den Rundungen, das schmeichelt auch der Stimme. Auch wenn Karl Lagerfeld die 19-jährige Londonerin wohl nie als Muse entdecken wird: Was ihre stimmlichen Qualitäten anbelangt, steht sie Amy Winehouse in Nichts nach. Wie das Rebelgirl des Souls absolvierte auch Adele die Brit School Of Performing Arts.

Im Gegensatz zu ihrer ehemaligen Mitschülerin hatte Adele allerdings kaum Zeit, sich an den Wirbel um ihre Person zu gewöhnen. Der Erfolg überraschte das Goldkehlchen praktisch im Schlaf. Ihr Debüt "19" steckte noch im CD-Presswerk, da dekorierte man sie bereits mit dem "Critics' Choice Brit Award", und der britische Star-Talker Jools Holland bat sie in seiner Late Show auf die Bühne. Wie praktisch, dass Adele "schon immer gerne im Mittelpunkt" gestanden hat.

Ohne Zweifel: Adele ist keines dieser piepsigen "Will-doch-nur-spielen"-Mädchen. Im Gegenteil. Der Teenager schreibt seine Songs in Eigenregie und verfügt über mehr Persönlichkeit als viele seiner Altergenossen ("Ich wette meine Liebe ist intensiver als die von Leuten um die 30!"). Ob es die Verzweiflung über den bisexuelle Ex-Freund ist, der sie wegen eines Jungen verlässt ("Daydreamer") oder eine nicht unpolitische Lobeshymne auf ihre Heimatstadt ("Hometown Glory") - Adele findet immer eine poetische Chiffre, um ihr Innerstes nach außen zu kehren, ohne sich zu entblößen.

Duffy - die singende Pub-Bedienung

Was Amy Winehouse an rebellischem Selbstbewusstsein zu viel hat, das hat Aimee Anne Duffy zu wenig. Die blonde Waliserin, die mit ihren Schleifchen verzierten Blusen ebenso gut aus Stockholm stammen könnte, errötet, wenn sie mit Journalisten über den Sex in ihren Texten sprechen soll. Vier Jahre feilte die ehemalige Kellnerin an ihrem Debüt "Rockferry" - nun, da der Erfolg eingetreten ist, scheint ihr das Rampenlicht fast peinlich. Bei einem Auftritt im Berliner Quasimodo Jazzclub klimpert sie so nervös mit den angeklebten Wimpern, dass man ihr die Dinger am liebsten von den Lidern zupfen will. "Süß" jauchzen die Männer, "alles Masche" mäkeln die Frauen.

Ob Kalkül oder aufrichtige Schüchternheit - wem die Balladen des Mädchens mit den Grübchen nicht unter die Haut gehen, der sollte seine emotionalen Schnittstellen überprüfen. Der Blue-Eyed-Soul einer Dusty Springfield ist es, den Duffy auf "Rockferry" meisterhaft revitalisiert, und der Produzent Bernard Butler (Ex-Suede) schwärmen lässt: "Mit ihr zu arbeiten, ist einfach nur unglaublich befriedigend." Dieser Mann ist offensichtlich verknallt, genau wie der Rest Englands, der dem 23-jährigen Stimmwunder Single wie Album förmlich aus der Hand riss. Moderne Soulmusik funktioniert also auch ohne Skandalschlagzeilen und Drogenexzesse.

Zascha Moktan - die Freundin von Alicia Keys

Die Deutsch-Nepalesin hat wie Adele und Duffy ein Herz und eine Seele, bei Zascha Moktan kommt allerdings noch eine gehörige Portion Sex hinzu. Im Clip zu ihrer Single "Ouch!" räkelt sie sich lasziv auf dem Bett - Herzschmerz sieht anders aus. Auch wenn die mit 26 Jahren Älteste im Bund der neuen Soul-Ladies allen Grund zum Weinen hatte. Drei Mal stand sie kurz vor dem Beginn einer Karriere: das erste Mal, sie ist 15 Jahre jung, geht die Plattenfirma pleite, beim zweiten Angebot macht ihr die besorgte Mama einen Strich durch die Rechnung, das dritte Mal hält sie dem Drill in einer Castingband nicht stand.

Doch Zascha Moktan verlässt den steinigen Weg nicht. Sie komponiert weiter am Klavier, übt Gitarre und verschickt über 50 Mal ihr Demoband an Musikkonzerne. Fortwährend heißt es, ihre Musik passe nicht in den deutschen Markt. Mit dem Geiger Nigel Kennedy findet Moktan schließlich einen prominenten Förderer, der sie darin bestärkt, an ihrem Traum festzuhalten. 2005 dann das kleine Wunder: die amerikanische R&B-Queen Alicia Keys lädt sie zu einer gemeinsamen Tournee durch die USA ein. Der Knoten ist geplatzt. Ein Vertrag und die erste eigene LP ("The Bottom Line") folgen. Nun wird sich zeigen, wo Zascha Moktan ihr Plätzchen findet.

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