Wir haben bis zum Schluss nicht geglaubt, dass es möglich ist. Doch dann war es tatsächlich so weit. Wir sollen in Hamburg auftreten. Es ist ernst. "Charlie Keller" live im "Knust". Kein Publikum. Kein Applaus. Keine erwartungsvollen Gesichter. Keine alten Freunde. Nur Kameras, die freundlichen Techniker des Ladens und ein Stream ins Internet.
Musizieren kann man als Band nur gemeinsam. Erst dann spürt man, was der andere tut. Ob es eher zu schnell, zu langsam geht. Oder man leiser, lauter oder einfach mal gar nicht spielen sollte. Nur das gemeinsame Erlebnis lässt lebendige Musik entstehen. Die erste Probe mit echten Menschen nach mehr als einem Jahr: Was für ein Erlebnis, gemeinsam einen Sound zu kreieren. Unvergleichlich.
Im "Knust" in Hamburg erwarteten uns vier Menschen. Für den Sound, das Licht, Video und der Chef vom Ganzen. Die negativen Tests hat er vorher per Mail von uns bekommen. Trotzdem mussten wir beim Aufbau und in den Innenräumen unsere Masken tragen.
Bei Live-Auftritten gibt es immer ein Problem. Man gibt sich als Band viel Mühe, einen guten Sound einzustellen. Doch der Klang ist völlig anders, wenn abends viele Menschen im Klub sind. Dieses Problem hatten wir nicht. Wir konnten unsere Verstärker auf minimale Lautstärke einpegeln. Es würde kein Flaschengeklirre oder Gemurmel geben heute Abend.
Vor dem schwarzen Nichts
20 Uhr. Showtime. Ich gehe auf die Bühne. Der Saal ist leer. Da steht der Kameramann. Sonst niemand. Ich darf nur in mein eigenes Mikrofon sprechen. Sonst wäre ich nach vorne zum Hauptmikrofon gegangen. Also sage ich meinen Freund Timo Blunck an, spreche ins Nichts: "Und hier der Mann, der alles kann: Timo Blunck!" Stille. Ist das unheimlich.
Timo liest aus seinem neuen Buch "Die Optimistin". Ich betreue den Chat. Auf dem Laptop sehe ich die ersten Einträge. Die Zuschauer an den Endgeräten haben offenbar gute Laune. Dann spielen wir das erste Lied. "Charlie Keller" feiert Premiere. Jeder Ton ist hörbar, jede Nuance. Für Live-Musiker total ungewohnt. Da muss man sich deutlich mehr konzentrieren.
Sängerin Franziska Herrmann trägt uns durch die Songs. Mein Freund Roland Wolff spielt allerlei Instrumente. Ich höre auch noch den leisesten Anschlag seines E-Pianos. Wir versuchen eine intime Atmosphäre herzustellen. Einen schwebenden Klang. Ich kann mich zum ersten mal auf der Bühne richtig gut hören. Der Sound ist kristallklar. Was hören die Zuschauer? Wir wissen es nicht.
Am Ende verbeugen wir uns gemeinsam. Vor dem schwarzen Nichts. Nur mein Verstärker rauscht ein bisschen.