Thomas D. "Für mich ist das ein Wunder"

Von Johannes Gernert
Nach sieben Jahren hat der Fanta-Vier-Rapper Thomas D. sein drittes Soloalbum aufgenommen: "Kennzeichen D." Mit stern.de sprach er über sein Öko-Engagement, Messer-Streit in der Landkommune und darüber, wie er den Tsunami überlebt hat.

Ein Album zu machen mit Bio-Botschaft fürs Vegetariertum gleich im allerersten Track. War das ein schwieriger Entschluss?

(rappt) "Ich bau' auf Bio, will mein Geld nicht denen geben, die das Billigste produzieren auf Kosten der Welt", fand ich einen super Satz. So sieht's doch mal aus, Leute. Der erste Song hat ja eine Wende. Anfangs denkt man vielleicht: Jetzt kommt der D. wieder mit seinem erhobenen Zeigefinger und erzählt uns: Nicht Fisch, nicht Fleisch, ich ess' den Scheiß nicht. Dann switcht es aber und ich sage: Hey, könnte dir auch nicht schaden, ein paar Kilo weniger! Und es wird eher ironisch. Es ist doch so: Wir alle verdienen unser Geld hart und geben es für irgendeinen Scheiß aus. Für das billigste Zeug, was wir kriegen können, und das ist natürlich das Zeug, das auf Kosten der Welt produziert wird. Mit Kinderarbeit, mit gefährlichen Chemikalien, mit Natur-Verrecke-Programm. Man sollte das Geld doch ausgeben für Sachen, die man gut findet. Deshalb finde ich Bio gut. Es macht total Sinn, die zu unterstützen, die auch solche Nahrung produzieren.

War das jemals eine Frage, das auch in die Stücke einzubeziehen? Andere Künstler trennen da eher zwischen Öko-Engagement und eigenem Schaffen.

Für mich hat sich das schon immer gemischt. Ich bin ja der, der ich bin, und schreibe über das, was mich bewegt. Ich ziehe da keine Grenzen und sage: Das ist privat, das ist offiziell. Und weil ich immer wieder gefragt werde, was ich denn genau bin, ob Vegetarier oder was auch immer, dachte ich, man kann das auch mal am Albumanfang abfrühstücken. Ich danke da auch meiner Band dafür, dass ich jetzt hier sitze.

Wie reagieren die anderen auf Ihren Ökotrip?

Sie vermeiden es, Fleisch zu essen, wenn ich dabei bin. Das nehme ich als Kompliment. Sie reißen keine Witze über mich, insofern lasse ich sie auch gewähren.

Sind Schwaben die besseren Umweltschützer, weil sie so penibel sind?

Es gibt natürlich gewisse Tendenzen der Schwaben, der Sachsen, der Berliner. Aber ich glaube, das hat mit Umweltschutz wenig zu tun. Was die Schwaben gerne machen: Zusätzlich zur Kehrwoche im Haus, den Bordstein und die Kante fegen. Das finde ich so abstrus. Wow! Hut ab! Das ist eher Wahnsinn, kein Umweltschutz. Ich sag mal so: Räum' den Scheiß weg, nachdem du ihn gemacht hast. Hinterlass' die Welt so, wie du sie vorgefunden hast. Das gilt auch für meine Küche. Ganz wichtig. Ich wohne in einer WG. Die zerbrechen an der Küche. Und wir stehen kurz davor.

Wieso das denn?

Ich habe so eine Messerschublade. Die Ansage steht: Die Messer werden benutzt, dann von Hand gewaschen und zurückgelegt. Die Schublade ist mit rotem Samt ausgekleidet, die Formen sind quasi schon vorgeprägt, man legt ein Messer einfach nur an seinen Platz. Vier mal am Tag hole ich diese Messer aus der Spülmaschine heraus, wasche sie von Hand und lege sie wieder zurück. Ich versuche es buddhistisch zu sehen. Als Zen-Meditation.

Auf dem neuen Album sind viele locker-leichte Stücke.

Manchen haben auch einen spirituellen Unterton. Ein Song widmet sich den "Hinterbliebenen". Wie kam es dazu? Ich hatte ein sehr intensives Nahtoderlebnis. Das war bei der Tsunami-Katastrophe vor ein paar Jahren. Ich war mit meiner Familie in Khao Lak und wurde vom Strand weg vier Kilometer ins Landesinnere gespült - mit dieser Flutwelle. Da war sterben sehr, sehr einfach und überleben wirklich sehr unwahrscheinlich. Und wir haben alle drei überlebt. Für mich ist das ein Wunder. Das hat nichts mit Realität oder Zufall zu tun. Wenn Gott persönlich herabsteigt und in das Geschehen eingreift. Das meine ich, davon spreche ich. Und da gab es so unglaublich viel Tod in diesen Stunden, in diesen Minuten. Um das zu verarbeiten habe ich mir das auch angeguckt.

Was heißt angeguckt?

Ich habe im Internet nach Videos gesucht. Ich wusste tagelang gar nicht, was da passiert war. Ich war ja okay, ich hatte ja nichts - außer einer zerissenen Badehose. Als wir dann ausgeflogen wurden, dachte ich mir: Das ist ja unglaublich, wie da Familien zerbrechen. Wie da Leben auseinander gerissen werden in diesen Minuten. Wenn ich es irgendwie in Worte packen könnte, wollte ich gerne einen Song schreiben, der Menschen, die jemanden verloren haben, Trost spendet. Am Anfang standen zwei Sätze: "Das hier geht an alle Hinterbliebenen, an alle über den Tod hinaus Liebenden." Es war echt nicht einfach, da die richtigen Worte zu finden. Da kannst du ja nicht auf die Schulter klopfen und sagen: Wird schon wieder. Da handelt es sich ja um die krassesten Schmerzen, die man haben kann. Ich habe einen Typen getroffen, als wir dann oben in die Berge geflohen sind, dessen Freundin ist neben ihm ertrunken. Der hat nur überlebt, weil er so dick war. Eine Frau musste sich überlegen, welches ihrer Kinder sie packt und wegrennt. Von dreien werden zwei sterben. Du musst entscheiden: Jetzt schnappe ich mir eines. Wie willst du damit klar kommen?

Der Tsunami selbst kommt in dem Lied aber gar nicht vor.

Ja, genau. Es geht um das Gefühl. Das ist bei mir eigentlich immer so. Auch bei dem Lied, das ich für meine Tochter und meinen Sohn geschrieben habe, wollte ich das nicht wie bei Reinhard Mey in "Keine ruhige Minute" so völlig explizit machen. Obwohl das auch eine schöner Song ist. Das ist schon klar, da geht es um Kinder und Väter. Bei meinem "Neophyta" heißt es: Ich will dich nicht mit meiner Liebe erdrücken. Bitte geh! Nur, was du loslässt, kommt auch wieder zurück. Wenn du es allgemein lässt, können es die Leute auf sich beziehen - auf einen Freund, eine Freundin.

Das tun offenbar auch viele, die Ihre Texte im Netz exzerpieren.

Natürlich kriege ich viele Reflektionen. Bis hin zu: Als meine Freundin mich verlassen hat, habe ich immer "Sie ist weg" gehört. Oder: Wir haben uns verliebt zu "Liebesbrief". Das sind schöne Momente, die die Leute dank der Lieder haben oder traurige, die sie überstehen. Dafür ist die Musik da, zu sehen: Du bist nicht alleine. In erster Instanz schreibe ich es für mich, direkt danach für jeden, der es benutzen kann. Wenn er mich nicht ganz missversteht, ist es gut. Das beste Missverständnis ist bestimmt zwanzig Jahre her. Da saß ein Ex-Junkie bei uns hinter der Bühne - wir waren noch nicht so bekannt - und der sagte: Hey, und dann bei "Es wird Regen geben", als ihr dann singt "Ging das zu schnell, setz' die Nadel zurück", da wusste ich, dass ich mit dem Heroin aufhören muss. Zu dem habe ich auch gesagt: Da hast du mich ja richtig verstanden. Gut, das war gelogen. Es ging ja um die Nadel auf dem Plattenteller. Aber er hat es benutzt für was Gutes. Er ist weggekommen vom Heroin, was ich als Nicht-Heroin-Benutzer als etwas Gutes definieren würde.

Auch Ihre Vergangenheit als Frisör bleibt auf dem Album wieder nicht unerwähnt. Ein Trauma? Irgendjemandem mal ins Ohr geschnitten?

Ich habe tatsächlich mal jemandem ein Stück rausgeschnitten. Oh, war mir das peinlich. Schnipp! Aua! Dann lag dieser kleine Hautballen auf meiner Schere. Und sie sagt noch: Ist nicht so schlimm. Und ich: Doch! Doch! Es ist verdammt schlimm! Hat schon ein bisschen geblutet. So eine runde Hautkuppe war ab. Sie ist mir treu geblieben, aber das Ohr war nie mehr dasselbe. Das war mir sehr unangenehm. Das muss ich nicht dazu sagen, oder?

Sie sind 1968 geboren. Das heißt: In diesem Jahr werden Sie 40. Krise?

Ich habe ja erst im Dezember Geburtstag, deshalb will ich den gar nicht in diesem Jahr feiern. Ich feiere den im Sommer darauf. Ich verschiebe ihn nach hinten. Mit 40 wird der Schwabe klug, sagt man. Age ist just a number, ne. Ich mach' mir nicht so viele Gedanken darüber. Ich weiß auch immer gar nicht, wie alt ich bin. Am Ende dieses Jahres werde ich 40. Danke, dass Sie mich noch mal drauf aufmerksam gemacht haben...

Wird es auf der Bühne anstrengender?

Alle werden älter. Und das die ganze Zeit. Get over it, man. It's life. Nachdem ich neulich, um auf das fertige Album anzustoßen, ein bisschen Wodka getrunken hatte, hat der Kater zwei Tage gedauert. Das hatte ich früher nicht. Aber auf der Bühne: Aua, mein Knie! Mein Rücken! (lacht) Nee. Nee. Noch nicht. Wir halten uns alle doch ganz gut. Noch.

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